Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 50

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11.08

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sehr zurückhaltenden Äußerungen der Kollegen Khol und Kostelka lassen mich ein wenig daran zweifeln, daß im September tatsächlich Bewegung in eine der entscheidendsten Fragen der Geschäftsordnung kommen wird. Aber schauen wir uns die Argumente näher an.

Meine Damen und Herren! Kollege Kostelka hat hier zu Recht festgehalten, daß das rechtsstaatliche Prinzip vor den Toren des Parlaments nicht haltmachen darf, aber ich mache bestimmte Wächter vor den Toren des Parlaments aus, und zwar K.K.-Wächter, Khol und Kostelka, die darauf achten, daß bestimmte Kontrollrechte nicht wahrgenommen werden können.

Herr Kollege Khol! Es ist natürlich richtig, daß das Bewegungsgesetz der Demokratie die Mehrheit ist. Aber das Kontrollgesetz der Demokratie ist ein eindeutig durch Minderheiten bestimmtes Recht, denn der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin muß Zugang zu Informationen haben, um die Tätigkeit der Volksvertretung, der Regierung prüfen zu können. Selbstverständlich muß die Opposition als Minderheit hier im Parlament den Zugang haben, um jene Vorgänge zu kontrollieren, die im Zusammenhang mit Interessenkonflikten entstehen.

Meine Damen und Herren! Das ist der grundlegende Irrtum, dem einige von den Regierungsparteien unterliegen: Sie meinen, daß die Mehrheit sagen kann, wohin das Ganze geht, daß die Mehrheit sagen kann, wo kontrolliert wird, daß die Mehrheit sagen kann, daß aufgrund demokratischer Grundprinzipien nicht kontrolliert werden darf. Sich darüber zu einigen, was Demokratie ist, was Fairneß ist, sind Dinge, die man relativ rasch in einer kultivierten Diskussion erörtern kann. Aber das Entscheidende in diesem Haus ist, daß Politik eine Frage des Interessenausgleichs ist, der Konflikte über Interessen: Welche Interessen vertritt Herr Khol, welche Interessen vertritt Herr Kostelka, welche Interessen vertritt Herr König (Abg. Dr. Kostelka: Wabl!), welche Interessen vertritt Wabl, welche Interessen vertreten Van der Bellen, Frau Schmidt oder andere? Oder welche Interessen vertritt der Herr Außenminister Schüssel in einer ganz bestimmten Frage, meine Damen und Herren?

Dann ist die entscheidende Frage, die in diesem Haus kontrolliert und aufgeworfen werden muß: Was ist passiert? – Es ist nicht so, daß in Demokratien die anständigeren Menschen gegenüber autoritären Systemen zu Hause sind, Herr Kollege Khol. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Demokratie und einer Diktatur ist nicht der, daß in der Regierung, hier auf der Regierungsbank von Geburt an bessere Menschen sitzen, während in Diktaturen oder autoritären oder faschistischen Regimen von Geburt an schlechtere Menschen sitzen – nein! Der große Unterschied ist, daß es dem Volke und den Volksvertretern nachvollziehbar ist, was jene Menschen im Auftrag des Parlaments und im Auftrag der Volksvertretung getan haben. Genau das ist die entscheidende Frage.

In den USA gibt es unglaubliche Vorgänge: Präsidenten geben Aufträge im Zusammenhang mit Einbrüchen, Präsidenten geben Aufträge im Zusammenhang mit bestellten Morden an Regierungschefs anderer Länder. Aber die entscheidende Frage ist, ob das Volk, ob der Senat, ob die demokratischen Institutionen letztendlich Zugang haben zu jenen Informationen, die notwendig sind, um die historischen Vorgänge dann auch prüfen zu können. Das die entscheidende Frage, Herr Khol!

Wissen Sie, was das Tragische an den Vorfällen der letzten Tage ist? Nicht die Schimpfworte, die gefallen sind, ich kann Ihnen Hunderte Schimpfworte aufzählen, die ich im Zusammenhang mit parlamentarischen Auseinandersetzungen gehört habe – auch von mir selber. (Abg. Dr. Krüger: Bitte keine obszönen Gesten!) Die entscheidende Frage ist, Herr Khol, was das Verhalten und das Interesse eines Außenministers im Zusammenhang mit Kontrolle, im Zusammenhang mit der Überprüfung seiner Politik bedeutet. Das kritische Moment beginnt dann, wenn ein Außenminister offensichtlich das Parlament und die Öffentlichkeit belügt.

Meine Damen und Herren! Da geht es um Feststellungen von ganz seriösen Zeitungen, nicht von irgendwelchen Verschwörungsgruppen oder anderen. Herr Khol, die Frage ist, ob ein Minister, der diesem Hause und der Öffentlichkeit gegenüber offensichtlich die Unwahrheit sagt,


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