Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 65

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allen Bereichen des täglichen Lebens, so wie nichtbehinderte Menschen auch, denselben Zugang und dieselben Voraussetzungen bekommen, um alles in Anspruch nehmen zu können, was jeder nichtbehinderte Mensch für sich auch in Anspruch nimmt. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Die "Selbstbestimmtes Leben"-Bewegung in Österreich gibt es jetzt seit zirka zehn, zwölf Jahren. Wir – wenn ich sage wir, dann möchte ich auch sagen, ich bin Teil dieser "Selbstbestimmtes Leben"-Bewegung und seit zehn Jahren dabei – versuchen, unsere Rechte einzufordern, denn wir mußten erkennen, daß uns niemand Rechte zubilligt, wenn wir sie nicht für uns einfordern. Dafür, daß dieses Gesetz jetzt zustande kommt, haben wir, so muß ich sagen, auch von der ÖVP Signale bekommen und mit ihr darüber gute Gespräche gehabt, genauso wie mit der SPÖ. Nur gemeinsam war es möglich, daß wir diesen Gesetzespassus jetzt bekommen.

Ich glaube, die "Selbstbestimmtes Leben"-Bewegung hat auch einen wichtigen Beitrag für das Parlament geleistet. Die "Selbstbestimmtes Leben"-Bewegung hat es geschafft, daß hier in diesem Haus nicht mehr für Behinderte gesprochen wird, die "Selbstbestimmt leben"-Bewegung in Österreich hat es geschafft, den direkten Dialog einzufordern und ihre Forderungen selbst einzumahnen und sich nicht mehr von Nichtbehinderten vertreten zu lassen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir in Österreich erreicht haben und den wir nie mehr hergeben werden! (Beifall bei den Grünen.)

Die Zeiten, in denen nichtbehinderte Menschen über uns bestimmt haben, was für uns gut und richtig und rechtens ist, diese Zeiten, meine Damen und Herren, gehören der Vergangenheit an! Wir sprechen für uns, und wir fordern unsere Rechte ein! Wir lassen uns nicht mehr vertreten, sondern wir bitten alle, die nicht betroffen sind, sich mit uns zu solidarisieren und gemeinsam mit uns unsere Forderungen mitzutragen!

Denn nur gemeinsam kann es gelingen, daß wir in Österreich vielleicht in fünf oder sechs Jahren den Stand erreicht haben, daß wir endlich nicht mehr zu sagen brauchen: Man wird nicht nur als Behinderter geboren, sondern man wird zusätzlich zu einem Behinderten gemacht!

Dieser Ausspruch ist nicht von mir, sondern von einem guten Freund von mir. Denn wenn heute jeder so, wie er auf die Welt kommt, in der Gesellschaft akzeptiert werden würde, wenn die Rahmenbedingungen für sein Anderssein so beschaffen wären, daß er in dieser Gesellschaft ganz normal mitleben könnte, dann würde er seine Behinderung in einem viel geringeren Ausmaß spüren und auch nicht immer wieder vor unüberwindbaren Schranken stehen.

Die Gesellschaft hat sich zu verändern und sich uns anzupassen! Die Gesellschaft hat Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns ein Leben möglich machen! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Wir haben nicht zum Ziel, daß es – nur als ein Beispiel – einmal einen Rollstuhl geben soll, der irgendwelche Stufen überwindet – das ist nicht unser Ziel! –, sondern die Gesellschaft muß – das als Beispiel – so bauen, daß jeder in seinem eigenen Rollstuhl Barrieren überwinden kann.

Wir Behinderte werden es nicht zulassen, daß wir wieder zurückgedrängt werden. Wir wurden jahrelang in der Defensive gehalten – daran waren nicht wir schuld –, und jetzt gehen beziehungsweise rollen wir in die Offensive. Auch wir wollen jene Rechte haben, die jeder nichtbehinderte Mensch für sich in Anspruch nimmt. Diese Verfassungsbestimmung ist ein erster und wichtiger Schritt dazu, aber wir sind noch lange nicht soweit, daß wir sagen könnten, wir hätten dieselben Rechte wie nichtbehinderte Menschen. Dafür braucht es noch sehr lange, und daher bitte ich Sie, uns auch in Zukunft so kooperativ zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.


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