Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 110

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Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat umgehend den Entwurf eines Verfassungsgesetzes zum Schutz der Pensionen zuzuleiten, mit dem

1. die zuerkannten Leistungen sowie die erworbenen Anwartschaftsrechte jener, die bereits einen Großteil ihrer Lebensarbeitszeit hinter sich gebracht haben und ihre Beitragsleistungen nach dem bestehenden System erbracht haben, und

2. eine mindestens der Inflationsrate entsprechende jährliche Anpassung zumindest für alle, die nur niedrige und mittlere Leistungen erhalten,

garantiert werden.’

In formeller Hinsicht wird gemäß § 74a Abs. 1 GOG verlangt, diesen Entschließungsantrag dringlich zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile als erstem Redner dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Dr. Ofner, zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Herr Abgeordneter! Gemäß der Geschäftsordnung darf Ihre Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.01

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Am Dienstag nächster Woche werden es 70 Jahre sein, daß keinen Steinwurf weit von hier der Justizpalast gebrannt hat. Sie erinnern sich alle: Es ist ein Aufmarsch in der burgenländischen Ortschaft Schattendorf gewesen. In diesen Aufmarsch ist hineingeschossen worden. Es hat zwei Tote gegeben, einen Buben und einen Invaliden, und einen Geschworenenprozeß in Wien. Die mutmaßlichen Täter sind freigesprochen worden, und eine wütende Menge hat daraufhin das – nebenbei bemerkt: falsche – Gericht angezündet, nicht das Strafgericht, sondern das "Grundbuch", wie behauptet worden ist.

Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil es zeigt, daß es eine fürchterliche Zeit gegeben hat, die Jahrzehnte gedauert hat, in der sich Dinge ereignet haben, die heute unvorstellbar erscheinen: daß erstens in eine Demonstration geschossen wird, daß zweitens die Täter dann freigesprochen werden – das kann schon eher passieren –, daß dann ein Gerichtsgebäude angezündet wird und daß im Zuge dieser Auseinandersetzung fast 100 Tote auf der Strecke bleiben zwischen dem Justizpalast und dem Parlament, 89 Demonstranten und Polizeibeamte noch dazu.

Das ist die Zeit – und darum erzähle ich Ihnen das alles im Rahmen dieses Dringlichen Antrages betreffend Schutz der Pensionen –, die die Kindheit, die Jugend der älteren und alten Generation geprägt hat. Sie haben so viel mitmachen müssen, wie man es sich heute kaum mehr vorstellen kann, viele von ihnen noch die Zeit des Ersten Weltkrieges mit allem, was dazugehört, mit Toten, mit Verwundeten, mit Krüppeln, mit Hunger, mit Not, mit Gefangenschaft und ähnlichem, fast alle die Zwischenkriegszeit mit Arbeitslosigkeit, wieder mit Elend, mit Bürgerkrieg, mit Heimwehrfaschismus, dann den Nationalsozialismus, verbunden mit politischer Verfolgung und wieder mit einem Krieg, womöglich noch fürchterlicher als der Erste Weltkrieg, wieder mit allen Schrecken des Krieges, mit Millionen Toten, mit Krüppeln, mit Verwundeten, mit jahrelanger Gefangenschaft, mit Bomben, auch hier auf dieses Gebäude zum Beispiel, das schwer ausgebombt gewesen ist, woran sich viele gar nicht mehr erinnern können, viele werden das gar nicht wissen, und für viele verbunden mit der Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat.


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