Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 83

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chenland, wo es zum damaligen Zeitpunkt schon beachtliche Schwierigkeiten gegeben hat. Und ich möchte darauf hinweisen, daß bisher in der Geschichte der Union, die von sechs auf 15 Mitglieder aufgestockt hat, jede Erweiterung ein politischer, wirtschaftlicher und europäischer Erfolg gewesen ist, und das soll nicht verschwiegen werden. Das waren Länder, wie etwa Spanien oder Griechenland, die gerade einer Diktatur oder einem sehr autoritären Regime entkommen sind, die wirtschaftlich keineswegs noch auf dem Niveau der anderen entwickelten europäischen Länder gestanden sind, und dennoch war es möglich, diese Erweiterung zu einem echten Erfolg zu machen.

Und so muß unsere Ambition sein: Wir dürfen nicht leugnen, daß es schwierige Verhandlungen sind, wir müssen aber offen in diese Verhandlungen gehen und sagen, ja, diese Erweiterung ist unverzichtbar, denn das größte Risiko für uns wäre, wenn diese Länder in Planwirtschaft oder gar Kommunismus oder was immer zurückfielen. Das wäre für uns wirtschaftlich, politisch, sozial, gesellschaftspolitisch das weitaus größere Risiko als eine vernünftig, behutsam und verträglich geführte Erweiterungsrunde. Und diese These möchte ich gerade an den Beginn der Erweiterungsverhandlungen stellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zweiter Punkt: die Ukraine. Es ist zu Recht angesprochen worden, daß in der Ukraine – ich kann das alles nur unterschreiben – sowohl der wirtschaftliche Umgestaltungsprozeß, der Reformprozeß nicht engagiert genug geführt wurde, nicht rasch genug geführt wurde als auch die Menschenrechtssituation nicht befriedigend ist, daß das interne Zusammenspiel – ob jetzt freie Presse, Zusammenspiel Regierung/Parlament, Zusammenspiel der Volksgruppen oder was immer – nicht optimal ist. Aber – jetzt kommt das Aber – viele dieser Schwierigkeiten hängen auch damit zusammen, daß eben die Ukraine jahrzehntelang nicht selbständig gewesen ist, daß in der Transition vieles behindert wird und manches auch extrem schwierig ist. Es handelt sich um ein Land mit 52 Millionen Menschen, davon 12 bis 13 Millionen gebürtige Russen, die zum Teil gar nicht Ukrainisch sprechen, nicht sprechen können, nicht sprechen lernen wollen, es herrscht eine Situation, in der das Ancien Regime noch immer stark ist und der Präsident und seine Regierung vielleicht viele eigene Fehler gemacht haben, aber natürlich auch durch die alten Strukturen äußerst behindert worden sind. Das alles sei hier auch erwähnt und sollte bei einer fairen Beurteilung der Ukraine nicht vergessen werden.

Die Ukraine hat heute im wesentlichen zwei strategische Möglichkeiten: Entweder sie orientiert sich klar prowestlich nach Europa, das bedeutet Assoziierungsabkommen, Partnerschaftsabkommen, fortschreitende Strukturreformen auf dem Weg zur Marktwirtschaft, zur Demokratie, zur Entwicklung der Menschenrechte, oder es kommt zu einem Zurück. Und unterschätzen Sie nicht die Dramatik, die heute in der innerukrainischen Situation gegeben ist! Die Wahlen sind im Frühjahr 1998. Kein Mensch kann heute sagen, ob es nicht zu einem Zurückkippen der gesamten Ukraine kommen wird.

Ich meine daher, es muß unser Interesse sein, die Alternative 1 in der Ukraine zu stärken. Das heißt, daß wir klug beraten sind, so wie die anderen zwölf alten Mitgliedsländer der Union, die ja dieses Partnerschaftsabkommen längst ratifiziert haben, zu handeln. Nur die drei Neuen, die Schweden, die Finnen und wir, müssen ein Zusatzprotokoll abschließen – ein Land, ich glaube, die Schweden, hat es schon gemacht, nur die Finnen und wir hängen noch ein bißchen hinten nach –, und es wäre ganz unklug, würden wir etwa mit einem Signal der Verschiebung eigentlich jenen Kräften Vorschub leisten, die eine proeuropäische Hinwendung der Ukraine, ein Mehr an Menschenrechten, ein Mehr an Pluralismus oder Ökologie ganz sicher nicht haben wollen. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Heindl, Sie sehen das offensichtlich anders!)

Ein paar Sätze noch zu Tschernobyl. Bei meinen Gesprächen in der Vorwoche habe ich natürlich alle diese Themen – Beschwerden österreichischer Unternehmer über eine zum Teil wirklich unglaubliche Ungleichbehandlung, geradezu Hinausschieben von notwendigen Entscheidungen, ein abenteuerliches Hin und Her der Stadt Kiew etwa und der staatlichen Behörden gegenüber Eigentümern oder Investoren von österreichischer Seite – klar zur Sprache gebracht. Ich habe auch massiv die österreichische Position zur Stillegung des Kernkraftwerks Tschernobyl zum Ausdruck gebracht. Gar keine Frage! Das ist eine gemeinsame Position aller Demokraten und aller Österreicher. Nur die Antwort – das sei hier auch nicht verschwiegen –


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