Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 40

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und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Österreichs, also die Anpassung Österreichs an das gewandelte Umfeld in der Welt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundeskanzler! Der Beschäftigungsrekord, den Sie zitieren, ist beeindruckend. Das Beschäftigungspotential in Österreich ist so groß wie noch nie. Das heißt aber, daß wir zwar so viele Beschäftigte haben wie noch nie, aber auch so viele Arbeitslose wie noch nie. Offensichtlich ist es uns also nicht gelungen, die wirtschaftliche Entwicklung mit dem Beschäftigungspotential zu harmonisieren.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist, wie Sie sagen, gesunken. Das sind die Fakten. – Gestiegen und nicht gelöst ist die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen, die eine Lehre machen wollen, machen sollen und in Zukunft als Facharbeiter der Wirtschaft zur Verfügung stehen sollen. Sie haben das System der dualen Ausbildung so lange belastet, es so lange verteuert, es so lange verteufelt, bis die Ausbildungsbetriebe, bis die Lehrherren gesagt haben: Nein, unter diesen Bedingungen können wir diese Verantwortung nicht mehr übernehmen!

Die kurzfristigen Maßnahmen, die diese Bundesregierung heute setzt, sind auf der einen Seite zu begrüßen, weil sie kurzfristig jungen Menschen eine Stelle verschaffen, verschieben aber auf der anderen Seite das Problem wieder in die Zukunft. Jeder Lehrling, der heuer einen zusätzlichen Lehrplatz bekommt, über die bereits geplanten hinaus, verstopft 1998 und 1999 die Kapazität der Betriebe, wiederum Lehrlinge zu beschäftigen. Das heißt, hier wird nichts gelöst, sondern es wird wieder ein Problem von heuer auf das nächste Jahr verschoben.

Das Liberale Forum bemüht sich jetzt seit einer Woche, die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses davon zu überzeugen, daß die 17 Anträge zur Lehrlingsausbildung, die hier im Hohen Haus liegen, nicht schubladisiert werden dürfen, sondern ehebaldigst behandelt werden sollten. Ich bin gespannt, wann das passiert, wann wir endlich dazu kommen, wirklich konstruktive Zukunftslösungen zu finden, wie wir die Lehre wieder so attraktiv machen können, wie sie sein muß, um ihre Funktion als dritte Säule des dualen Ausbildungssystems zu erfüllen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Herr Bundeskanzler hat auch als Faktum festgestellt, daß die Altersarbeitslosigkeit in Österreich steigt und daß selbstverständlich als Folge der Frühpensionierungswelle die Zahl der Frühpensionen weiter ansteigt. Es ist halt möglicherweise so, Herr Bundeskanzler, daß die Zuwachsraten geringer geworden sind, aber Faktum ist, daß wir mit August 207 000 Menschen in der Frühpension haben, und wenn Sie die Invaliditätspensionen dazuzählen, kommen Sie auf 400 000 Menschen, die vorzeitig aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind. Berücksichtigen Sie außerdem noch die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Österreich, die 1997 leider bei 235 000 Menschen liegt, kommen Sie auf eine Arbeitslosenquote, die höher ist als in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben sie, Herr Bundeskanzler, nur anders geparkt. Sie haben sie auch besser geparkt, das will ich durchaus zugeben, aber das Problem ist dasselbe.

Wir müssen dieses Problem mit genau derselben Härte und Schärfe wie etwa in der Bundesrepublik diskutieren, denn es ist ein Problem der Klein- und Mittelbetriebe, vor allem im Dienstleistungsbereich, daß sie von Ihnen, von dieser Bundesregierung keinerlei Anreize bekommen, Mitarbeiter neu zu beschäftigen. Ganz im Gegenteil, die Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierung vorgibt, heißen für den kleinen und mittleren Unternehmer: Beschäftige so wenige Mitarbeiter wie möglich!, und das ist desaströs. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Finanzminister Edlinger hat uns Gott sei Dank schon im März 1997 wissen lassen, daß Arbeit billiger werden muß. Wir danken ihm für diese Erkenntnis. Auch der Herr Bundeskanzler hat heute davon gesprochen. Fest steht aber, daß in den letzten zehn Jahren dieser Koalitionsregierung die Belastung der Arbeit durch Steuern und Abgaben laufend gestiegen ist, und zwar um vier Prozentpunkte, von unter 40 auf über 44 Prozentpunkte.

Meine Damen und Herren! Was macht es für einen Sinn, wenn Sie immer richtige Dinge behaupten, aber schlußendlich das Gegenteil davon tun? Es hat keinen Sinn, wenn Sie predigen: Arbeit ist zu teuer! Es hat keinen Sinn, wenn Sie Zeitungsinterviews geben und uns wissen


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