Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 16

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maßgeblich außer Haus beeinflußt wurde und weniger von diesem Hause ausgegangen ist. Man wird dieses Nebeneinander von geschriebener und Realverfassung sicher unterschiedlich beurteilen. Ich glaube nur, daß dann, wenn diese Realverfassung beginnt, die geschriebene Verfassung nahezu außer Kraft zu setzen, bei jedem Demokraten und bei jeder Demokratin die Alarmglocken läuten müßten. Ich glaube, daß die Vorgangsweise, wie sie mit diesem 1. Budgetbegleitgesetz von den Parlamentariern der Regierungsfraktionen gewählt wurde, Anlaß dazu gibt, die Alarmglocken läuten zu lassen. Die Demokratie ist nach meinem und unserem Verständnis kein leerer Sack, in den man alles hineinpacken kann, egal, ob es nun den demokratischen Anforderungen entspricht oder nicht, sondern ich glaube vielmehr, daß die Deformation eines solchen Sackes, wenn man das schon sagt, auch die Deformation der Demokratie anzeigt.

Sie, die Sie bei anderen Gelegenheiten immer das Ansehen des Parlaments beschwören und uns auch auf Ihrer Seite haben, wenn Sie den Freiheitlichen vorwerfen, daß sie dieses Ansehen untergraben, untergraben mit dieser Vorgangsweise das Ernstnehmen und somit auch das Ansehen des Parlaments. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Denn was Sie gestern und in den letzten Tagen gemacht haben, um zu diesem Budgetbegleitgesetz zu kommen, spottet jeder Beschreibung, was das Ernstnehmen der Parlamentarier betrifft. Ich halte es für eine Demütigung der Parlamentarier, daß Sie eine Zweiklassengesellschaft in diesem Hause einführen, daß diejenigen, die einer Gewerkschaft oder einer Interessenvertretung angehören, einen anderen Stellenwert für Sie haben als die Parlamentarier der anderen Gruppe, die eben diesen Interessenvertretungen nicht angehören.

Ich erinnere nur daran, daß Herr Klubobmann Khol in der Präsidiale, als wir darüber gesprochen haben, daß wir dieses Budgetbegleitgesetz auf der Tagesordnung lassen wollen, gemeint hat, es müsse zumindest ein Tag zwischen Ausschuß und Plenum liegen, um noch Überlegungen dahin gehend Platz greifen zu lassen, ob auch alles in Ordnung gebracht wurde. Schon damals hat die Opposition gesagt, es sei eine Zumutung, diesen Ausschuß so kurz vor den parlamentarischen Verhandlungen in diesem Hohen Haus anzusetzen. Nach Ansicht der Freiheitlichen sollte im übrigen der Ausschuß erst gestern tagen. Sie, Herr Kollege Khol, haben gesagt, mindestens ein Tag müsse dazwischen liegen. Das würde der Seriosität der Vorlage entsprechen.

Was haben wir jetzt erlebt? – Es war so, daß Sie den Ausschuß, wann immer Sie wollten, unterbrochen haben, daß wir uns von außen diktieren lassen müssen, welche Mehrheiten zustande kommen, und daß Sie nicht nur den Ausschuß, sondern auch dieses Plenum als Farce abqualifizieren, indem Sie vorher detailliert sagen, was hier beschlossen werden wird.

Ausschüsse sind nicht nur ein Formalakt, sondern Ausschüsse haben eine beratende Funktion, wenn Sie dieses Parlament ernst nehmen wollen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das, was Sie getan haben, war nicht ein Akt der Ehrlichkeit, wie man vielleicht sagen könnte – weil Sie so ehrlich waren, zuzugeben, daß die Sozialpartner und die Gewerkschaften für Sie einen größeren Stellenwert haben als das Parlament –, sondern es hat sich eher um eine Art von Outing gehandelt, um die Demonstration, daß Sie eigentlich das Parlament gar nicht brauchen. Wenn Sie da so weitermachen, dann, muß ich sagen, haben Sie keine moralische Qualifikation mehr, jene Untergrabungsversuche, die ständig von freiheitlicher Seite kommen, auch abzuwehren. Das ist es, was uns Sorge macht, daß Sie nämlich hier mit zweierlei Maß messen.

Wir sind uns sicher alle einig, daß dieses Parlament verbesserungswürdig ist, daß der Parlamentarismus und die Spielregeln verbesserungswürdig sind. Ich frage mich nur nach dieser Ihrer Vorgangsweise, ob Sie noch verbesserungsfähig sind. Das macht mir Sorge.

Daher bitte ich Sie, daß Sie Ihre Zweidrittelmehrheit nicht als Machtinstrument einsetzen und sagen, nach der Geschäftsordnung ist es möglich, von der 24stündigen Aufliegefrist abzusehen und Dinge, die gestern abend im Ausschuß behandelt worden sind, heute bereits im Plenum zu


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