Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 66

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Wer an seine Bereitschaft, für andere einzustehen, moralisierende Bedingungen knüpft, der handelt nicht wirklich solidarisch, der handelt nicht im Geiste von Nächstenliebe und der hat ein Menschenbild, das von der Verachtung des anderen geprägt ist und nicht vom Anerkennen seiner Würde. Das ist etwas, was in diesem Zusammenhang vielleicht besonders wichtig ist, weil es hier auch um Werthaltungen geht. Es geht bei diesen Fragen auch um Werthaltungen. Wie stehe ich zu den Mitmenschen? Bin ich bereit, für sie einzustehen, oder sage ich: Hinter mir die Sintflut!? – Sie haben hier eine Reform vorgelegt, bei der Sie gesagt haben: Die Sintflut haben wir vorerst vertagt, sie kommt erst im Jahre 2010. Das, was Sie hier gemacht haben und was Sie uns hier vorlegen – das weiß jeder, der sich damit intensiv beschäftigt –, wird nicht halten. Sie behaupten, eine Reform zu machen, und wissen heute schon, daß Sie, bevor diese ernsthaft in Kraft tritt – ernsthaft tritt sie erst im Jahre 2003 in Kraft –, eine nächste Reform brauchen werden. Das wissen Sie genau! Und wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie es wenigstens dem von Ihnen selbst als Sachverständigen gerufenen Experten Professor Rürup, der das unmißverständlich an verschiedenen Plätzen, in Zeitungsinterviews, in Diskussionsveranstaltungen und auch direkt im Fernsehen, im Liveinterview gesagt hat: Diese Reform reicht nicht aus, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

Die Frauenfrage – ich greife sie bewußt noch einmal auf – existiert gar nicht in Ihren Papieren. Daher existiert auch nicht das Phänomen der Mehrfachpensionen im Alter. Das wäre aber ein interessantes Einsparungsfeld gewesen.

Wie Sie wissen, gibt es neben den Eigenpensionen auch Hinterbliebenenpensionen, und manchmal, ja sogar häufig ist die Hinterbliebenenpension bedauerlicherweise der einzige Altersversorgungsanspruch, den Frauen haben. Aber es gibt auch Fälle, bei denen Eigenpensionen und Hinterbliebenenpensionen zusammentreffen. Eine verwitwete Amtsrätin, die das Glück hatte, daß ihr Mann auch Amtsrat war, ein verwitweter Amtsrat, der das Glück hatte, daß seine Frau auch Amtsrätin war, beziehen nicht nur eine nach den Kategorien des Beamten-Dienstrechtes ausgebildete recht komfortable Pension, sondern zusätzlich auch noch eine recht komfortable Hinterbliebenenpension nach dem Beamtenrecht. Wäre das zum Beispiel nicht einer Deckelung wert gewesen, oder hätte das die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst auch nicht erlaubt? – Das frage ich Sie ganz deutlich.

Möglicherweise wäre das Einsparungsvolumen, das Sie dabei erzielt hätten, nicht besonders groß gewesen, aber jeden Schilling, den Sie dort gewonnen hätten, hätten Sie für eine eigenständige Absicherung aller anderen im Alter nicht versorgten Menschen verwenden können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vor allem hätten Sie bei den Menschen die Gewißheit erzeugt, die Überzeugung gefestigt oder vielleicht geweckt, daß Sie es wirklich ernst meinen mit einer Reform, die zu harmonisieren versucht. Diese Harmonisierungsnotwendigkeit ist angesichts dieser Frage von Doppelpensionen nur an einem Punkt deutlich gemacht worden. Das Modell übertragen auf den Bereich ASVG/GSVG sieht ganz anders aus. Dort ist einerseits dieser Kumulierungseffekt von vornherein ein bescheidener und andererseits in dieser Form gar nicht so ohne weiteres lukrierbar.

Daher ein zentraler Vorwurf: Die Frage der Mehrfachpensionen haben Sie nicht einmal gestreift! Und als wir im Ausschuß – ich komme noch einmal darauf zurück – versucht haben, das zu thematisieren, konnten wir in den Sitzungspausen, in den Unterbrechungen im Small talk darüber diskutieren, weil die eigentlichen Sitzungen sich nur mehr darauf konzentriert haben, die sogenannte Gleichzeitigkeit der Reform herzustellen.

Es hat mich übrigens sehr fasziniert, als Kollege Feurstein im Ausschuß gesagt hat, wir müssen das gleichzeitig machen. – Ich habe ihn verstanden, er hat gemeint, im Sozialausschuß und im Finanzausschuß. Diese Gleichzeitigkeit war aber eine Gleichzeitigkeit des Mißtrauens. Hätte es nämlich einen gemeinsamen politischen Willen und ein tatsächliches Reformpaket gegeben, dann wäre es doch bei der Umsetzung gleichgültig gewesen, ob der eine Ausschuß zuerst beschließt und der andere nachher oder ob ein Tag dazwischen gewesen wäre. Bei vertrauensvollen Kompromissen braucht man diese Gleichzeitigkeit nicht! Und daß Sie diese Gleichzeitigkeit dringend benötigt haben, zeigt einmal mehr, daß Ihre Lösungsmechanismen nicht mehr den


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