Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 49

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erhält, obwohl sie keine Beiträge dafür bezahlt hat. Ich sage Ihnen, Kollege Feurstein: Ja, es ist gerechtfertigt, daß ein Mensch, auch wenn er, aus welchen Gründen auch immer, nicht durch Erwerbsarbeit für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen konnte, im Alter eine Pension erhält. Dazu stehen wir! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von der Regierung! Ich gebe zu, daß Sie ein paar Punkte in die Pensionsreform einbezogen haben – so etwa die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Deckelung und Valorisierung –, die deren Auswirkungen gerade im unteren Pensionsbereich mildern. Es sei mir aber die Frage erlaubt: Warum soll jemand mit 10 000 S oder 11 000 S überhaupt eine geminderte Pension erwarten können? Warum überhaupt? Wir müssen doch darauf achten, daß wir gerade im unteren Einkommensbereich ein Niveau erreichen, das einem internationalen Vergleich standhält. (Abg. Hagenhofer: Aber das ist doch bei Ihrem Pensionsmodell nicht der Fall!)

Meine Damen und Herren! Sie können noch so sehr das Schweizer Pensionssystem kritisieren, das holländische, das finnische und so weiter, aber eines weisen diese Systeme auf: eine stabile Grundsicherung in den unteren Einkommensbereichen. Eine solche haben wir in Österreich nicht. Das ist tatsächlich ein großer Unterschied! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe gesagt, dieses Pensionssystem stößt an die Systemgrenzen, weil es zum Beispiel klar erkennbar nicht gelingt, bei den geringfügig Beschäftigten – und dies, auch wenn Sie diesen Anspruch aufrechtzuerhalten versuchen und sich dabei wiederholt auf die Schulter klopfen – eine sozial ausgewogene Lösung zu finden, auch wenn Sie sagen: Wir haben die geringfügig Beschäftigten in das soziale Sicherungssystem mit einbezogen. Sie wissen genausogut wie ich, daß Sie sie nur finanziell mit einbezogen haben, und zwar arbeitgeberseitig. Sie haben keinen Anspruch dafür geschaffen, daß geringfügig Beschäftigte tatsächlich automatisch sozialversichert sind.

Sie haben eine Opting-in-Variante eröffnet, und damit haben Sie eine Grenze überschritten. Wir haben in Österreich ein Pflichtversicherungssystem. Ich stehe dazu, ich halte es für gut. Opting-in ist jedoch keine Pflichtversicherung mehr, es ist der Bruch des Pflichtversicherungssystems. Wir stehen vor der Situation, daß wir bei geringfügig Beschäftigten arbeitgeberseitig zwar unter bestimmten Voraussetzungen Sozialversicherungsbeiträge einheben, diesen jedoch keine Leistung gegenübersteht. Was hat das mit Pflichtversicherung zu tun? Dieser Pflichtversicherung steht keine Leistung gegenüber. Erst dann, wenn der oder die geringfügig Beschäftigte bereit ist, 500 S an Sozialversicherungsbeiträgen abzuführen, erwirbt er oder sie einen Leistungsanspruch. Das ist keine Pflichtversicherung! (Abg. Hagenhofer: Das muß man bei einer Pflichtversicherung ja auch!)

Wir haben das Problem – auch darüber könnten wir länger diskutieren –, daß zum erstenmal grundsätzlich vom Individualversicherungsprinzip abgegangen wird, und zwar gerade durch den arbeitgeberseitigen Pflichtversicherungsbeitrag. Jeder Leistung, jeder Versicherung, die der einzelne einzahlt – arbeitgeberseitig, arbeitnehmerseitig –, muß auch eine entsprechende Leistung gegenüberstehen. Da haben wir jedoch keine Leistung. Das ist ein Systembruch!

Ich stünde zu einem Systembruch, würde er Perspektiven eröffnen. Nur: Dieser Systembruch eröffnet keine Perspektiven. Es gibt da ein verfassungsmäßiges Problem, das wissen Sie, auch wenn ein Gutachten des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt ergeben hat, daß ein solcher möglich und denkbar sei, und dafür auch noch schlechte Beispiele liefert, warum ein solcher denkbar sei. Es gibt da meiner Ansicht nach ein verfassungsrechtliches Problem, und es entsteht auch ein Problem dadurch, daß Sie diese Situation nicht überzeugend gelöst haben. Eine überzeugende Lösung wäre eine Anbindung an die Lohnsumme gewesen. Eine solche wäre denkbar, auf diese Weise könnten wir auch die Beiträge senken. Doch dies geht deshalb nicht, weil bei den Unternehmen und damit bei den der ÖVP-nahestehenden Interessengruppen eine lohnsummenbezogene arbeitgeberseitige Abgabe auf große Widerstände stoßen würde.

Das ist keineswegs eine ehrliche, eine in die Zukunft weisende Lösung. Es ist ein undurchschaubares System, das Sie da geschaffen haben, und zwar gerade im Bereich der geringfügig Beschäftigten, wobei Sie dem Mißbrauch Tür und Tor öffnen. Denn ich sage Ihnen: Von den


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