Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 50

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

tatsächlich geringfügig Beschäftigten wird wahrscheinlich kaum jemand diese Perspektive nützen können, Opting-in zu machen, wenn es dabei tatsächlich um geringfügige Beschäftigung geht. Hingegen kann der Sohn eines Notars, eines Rechtsanwalts aufgrund dieser neuen gesetzlichen Möglichkeiten während seines Studiums beispielsweise um 500 S als geringfügig Beschäftigter angemeldet werden, während er derzeit für eine freiwillige Weiterversicherung in der Krankenversicherung wesentlich höhere Beiträge zu zahlen hätte. Es wird damit einer Umgehungsmöglichkeit Tür und Tor geöffnet, die mit der Schaffung einer sozialen Absicherung für jene, die es nötig haben, wenig zu tun hat.

Trotzdem gestehe ich Ihnen zu, daß im Bereich der geringfügig Beschäftigten vom Ansatz her ein Schritt in die richtige Richtung erfolgt ist, doch ist das ASVG an seine Grenzen gestoßen. Der deutlichste Beweis dafür ist die Situation im Bereich der Pflegeversicherung. Sie haben jetzt durch die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Pflegeversicherung die Situation geschaffen, daß sich die Pflegebedürftigen ihre persönlichen Assistenzen, die derzeit geringfügig Beschäftigte sind, nicht mehr in der bisherigen Form leisten können, weil sie für diese 20 Prozent Sozialabgaben zahlen müssen. Das heißt aber nichts anderes, als daß das Pflegegeld um eben diese 20 Prozent gemindert ist. Sie wissen genausogut wie ich, daß der Stundensatz für diese Pflege zwischen 30 S und 50 S liegt.

Aber hier kommen Sie heraus und sagen – Herr Abgeordneter Feurstein hat das ja getan –: Wir sind froh darüber, daß diese Personen in eine soziale Sicherung einbezogen sind! – Sie sind in Wahrheit nicht einbezogen! Es wird arbeitgeberseitig vom Pflegebedürftigen abkassiert, und die persönliche Assistenz erhält zunächst einmal überhaupt keine Gegenleistung dafür, sondern sie kann sich um 500 S einkaufen – und das bei einem Stundenlohn für die Pflege, der zwischen 30 S und 50 S liegt. Wenn Sie das wirklich für eine gelungene Lösung halten, dann sind Sie nicht gut informiert! Das ist wirklich keine gute Lösung! (Abg. Verzetnitsch: Herr Kollege Öllinger, die Geschichte wird es beweisen!)

Ein weiterer Punkt: Sie haben gerade durch die Zuordnungen im Bereich der Selbständigen und der Unselbständigen – Kollege Kier hat diesbezüglich schon vieles vorweggenommen – der Merkmale im sozialrechtlichen Teil wieder Bruchlinien geschaffen, die die Legistik des ASVG, die ohnehin schon katastrophal ist, noch undurchschaubarer machen. Ich bringe, weil es mir sehr gut gefällt, immer wieder das Beispiel aus der Schweiz, wo die Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die AHV, in den 60 oder 70 Jahren ihres Bestehens inzwischen elfmal, glaube ich, revidiert wurde. Die elfte Revision steht bevor oder ist bereits abgeschlossen; ich weiß das jetzt nicht genau.

Wir haben in Österreich ein ASVG, das seit 1955 in Kraft ist, mit 54 offiziell gezählten Novellen und 125 inoffiziellen Novellierungen. Derzeit ist die 126. Novelle in Verhandlung.

Ich weiß schon, diese Novellen beziehen sich nicht alle auf das Pensionssystem, aber schauen Sie sich an, wie oft das ASVG in den letzten Jahren novelliert worden ist. Wir haben in den Anfangsjahren bei den Novellierungen eine Taktrate von einer pro Jahr gehabt. Inzwischen haben wir beim ASVG seit drei, vier Jahren vier Novellierungen jährlich. Vier Novellierungen pro Jahr! Wer soll das nachverfolgen können? Wer ist noch imstande, das ASVG zu verstehen? – Herr Kollege Feurstein, Seien Sie ehrlich: Sie nicht und ich auch nicht! (Abg. Murauer: Niemand! – Abg. Dr. Feurstein: Es kommt eine Neukodifizierung!)

Wir beschließen aber hier dieses Gesetz. Sogar wir können uns bei diesem ASVG irren, obwohl wir besser informiert sind als viele andere Bürger dieses Landes. Die Bürger dieses Landes können dieses Gesetz einfach nicht verstehen. Aber das ist doch furchtbar! Bedenken Sie, das ist eines der wichtigsten Sozialgesetze dieser Republik, und wir müssen achselzuckend sagen: Irgend jemand wird es schon noch erklären können! – Wenn ich versuche, mir Informationen aus dem sicher sehr gut und kompetent bestückten Ministerium zu holen, dann erlebe ich manchmal auch meine Wunder. Auch dort habe ich das Problem, daß der eine Beamte etwas anderes sagt als der andere. (Abg. Reitsamer: Das ist nicht nett, auf die Beamten hinzuhauen!) Ist das eine Grundlage dafür, daß man sich auf die Schulter klopft und sagt: Dieses Gesetz ist zukunftsfähig!? – Ich glaube nicht!


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite