Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 24

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oder die Parteien, die für diese Interessen stehen, mit den Anliegen im Parlament zu wenig durchdringen –, eigentlich der Gradmesser für unerfüllte Anliegen sein sollten.

Wenn man diesen Gradmesser anwendet, dann ergeben sich meiner Ansicht nach einige Anliegen, die sehr deutlich artikuliert worden sind, von denen ich mich aber frage, wo sie sich im vorliegenden Zahlenwerk wiederfinden. Ich denke insbesondere an die Volksbegehren – sehr erfolgreiche Volksbegehren! – betreffend die Rechte der Frauen, den Umweltschutz und die Gentechnik sowie den Tierschutz. Bei den unerfüllten und ungehörten BürgerInnenanliegen denke ich aber auch an die Erkenntnisse der Volksanwaltschaft, aus deren Berichten wir sehr klar ersehen können, wo es eine Häufung von Beschwerden gibt und wo offenbar im Bereich der Legistik und im Bereich der Vollziehung etwas nicht stimmt. Und letztlich denke ich dabei an die großen Proteste und Demonstrationen, die es in jüngerer Vergangenheit gab.

Wenn ich diese Bereiche – Volksbegehren, Berichte der Volksanwaltschaft und Demonstrationen – als einen Gradmesser der Unzufriedenheit und der unerfüllten Anliegen werte, dann stelle ich fest, daß diese Anliegen auch im vorliegenden Budget nicht entsprechend gewichtet sind.

Ich möchte mit den sozialen Gruppen beginnen, die das Gefühl haben, daß ihre Anliegen nicht mehr entsprechend und gebührend gewürdigt werden. Es gab große Proteste der Studierenden; trotzdem ist – auch wenn das Budget in diesem Bereich nicht sinkt – die Zahl der Studierenden absolut und relativ viel, viel stärker gestiegen als die Mittel, die den Universitäten zur Verfügung stehen.

Ich denke an die Angriffe und an die Hetze gegen Kulturschaffende, an die Preisgabe dieser Rechte und an die sogar von Regierungsmitgliedern fortgesetzte Diffamierung. Stichwort "Stickerei des Stadtwappens". Das war eine bewußte Verunglimpfung eines Kunstwerkes – denn das ist es –, statt einer kritischen Auseinandersetzung mit Staatssymbolen, die meiner Ansicht nach sehr wichtig wäre. Es findet keine Parteinahme für die Kulturschaffenden statt, sondern insgesamt in diesem Bereich immer noch weitgehend ein Abwehrkampf. Wie ist es mit Preisen und Stipendien? Wie ist es mit der sozialen Stellung der Künstler und Kulturschaffenden im Kulturstaat, in der Kulturnation Österreich?

Wie steht es aber vor allem um die besonders große Gruppe, die Mehrheitsgruppe der Bevölkerung, um die Frauen? – Mein Vorredner hat gesagt, Österreich werde gelobt im Hinblick auf die im internationalen Vergleich relativ niedrige Arbeitslosigkeit. Ich behaupte – ohne es genau quantifizieren zu können –, die Arbeitslosigkeit in Österreich weicht nicht vom internationalen Durchschnitt ab: zum einen aufgrund des unterschiedlichen, im internationalen Vergleich niedrigen realen Pensionsantrittsalters und zum zweiten aufgrund der im internationalen Vergleich – vor allem im Vergleich mit Skandinavien, aber auch mit anderen europäischen Staaten – extrem geringen Erwerbsbeteiligung der Frauen.

Dies ist nicht deshalb der Fall, weil die Frauen das nicht wollten, sondern weil sie es nicht können. Wir wissen von der Arbeitsmarktverwaltung, daß zigtausend Frauen – dokumentiert ist es für zumindest 50 000 – nicht am Erwerbsleben teilnehmen können, obwohl sie dies wollen und ein Recht darauf haben, weil die entsprechenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die entsprechenden Verkehrsverbindungen des öffentlichen Verkehrs nicht zur Verfügung stehen.

Ich frage Sie: Wo sind die Anliegen der Frauen? Wo gibt es das, was die Frauen im Volksbegehren verlangt haben: eine Koppelung der Wirtschaftsförderungen mit der Einhaltung aller Vorschriften zur Gleichberechtigung? – Nichts von alldem!

Wie ist es mit den Rechten der Frauen in der Pension? – Die durchschnittliche Frauenpension beträgt nur die Hälfte der durchschnittlichen Männerpension! Das ist ein derartiges Unrecht, und ich frage mich: Wo in diesem Zahlenwerk wird dem berechtigten Anliegen der Frauen, die mehr arbeiten müssen, die Doppel- und Dreifachbelastungen ausgesetzt sind, Rechnung getragen? Etwa mit einer längeren Durchrechnung, die sich mit Sicherheit überwiegend zu Lasten der Frauen auswirkt, insbesondere der Frauen mit Betreuungspflichten? Wo ist das in ihrem


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