Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 33

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Demokratie- und Parlamentsverständnis bei verschiedenen verantwortlichen Funktionären dieser Republik herrscht, wenn wir bei den Beratungen über die Kapitel Oberste Organen und Bundeskanzleramt den Bundeskanzler vermissen müssen. Ich weiß nicht, Herr Präsident Fischer, wie es Ihnen geht, ob Sie darüber erfreut sind, denn der Bundeskanzler gehört ja Ihrer Fraktion an. Ich weiß nicht, ob Sie ihm einen Brief schreiben und Ihrer Enttäuschung Ausdruck geben. – Ich jedenfalls kann mich nicht daran erinnern, daß jemals ein Bundeskanzler bei diesem Kapitel und bei der Generaldebatte demonstrativ ferngeblieben ist, obwohl er, wie wir wissen, zu einer Ministerratssitzung hier im Hause weilte.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Empfinden Sie das als die Demonstration eines vernünftigen – oder sagen wir –, eines ermutigenden, eines gefestigten Demokratieverständnisses, als eine Anerkennung des Parlaments? Mir geht es jedes Mal, wenn ich hier stehe, so, daß ich eigentlich sage: Ja bitte, ist es das wirklich? Ist das Parlamentarismus? Diese leeren Bänke, diese gelangweilten Abgeordneten? (Abg. Böhacker: Das liegt vielleicht an Ihrer Rede! – Abg. Mag. Steindl: Sie müssen in Ihre eigenen Reihen schauen!) Herr Steindl, ist es das? Fragen Sie sich das nie? (Abg. Mag. Steindl: Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen!) Ja, ja! Das ist ja kein Vorwurf, Herr Steindl, das ist doch kein Vorwurf gegen Sie oder gegen eine bestimmte Fraktion, sondern eine Frage. Es ist eine Frage an Sie: Wie empfinden Sie das, wenn Sie hier stehen und die Bänke der Liberalen leer sind? (Abg. Mag. Steindl: Sie müssen bei sich selbst anfangen!) Das ist ja kein Vorwurf. Sie sind immer so angerührt, Sie haben so einen Beißreflex.

Fragen Sie sich nicht hin und wieder, ob wir 183 Abgeordnete etwas dagegen tun könnten, und was es sein könnte, diesen Zustand zu verbessern? Oder finden Sie, daß dieser Zustand ein solcher ist, wie wir ihn uns ohnehin wünschen und vorstellen? Dann sagen wir das auch. – Meine Vorstellung von Parlamentarismus ist das jedenfalls nicht. Meiner Vorstellung entspricht es nicht, eine Generaldebatte zum Budgetkapitel Oberste Organe und Bundeskanzleramt einschließlich Frauen ohne Bundeskanzler abzuhalten. Und das heißt nicht, daß ich die Frau Ministerin geringschätze. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das, meine Damen und Herren, sind Empfindlichkeiten. Da setzen die einzelnen verantwortlichen Personen ein Zeichen, aber sie setzen es in der falschen Richtung und im falschen Gewicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch einmal zurück zu den Ausführungen des Abgeordneten Feuerstein – es tut mir sehr leid, jetzt ist er wieder nicht da –, aber trotzdem, meine Damen und Herren von der ÖVP (Abg. Steibl: Wenn es etwas Schönes ist, sage ich es ihm gerne weiter!)  – ja, sagen Sie es ihm weiter, es ist wirklich schön –: Was heißt das: Wir sollen Respekt vor unseren Verfassungsrichtern haben!? Ich meine, daß wir das Erkenntnis von Verfassungsrichtern zu respektieren haben. Aber es ist natürlich eigenartig, wenn ausgerechnet ein Mitglied jener Fraktion mir, uns, den Liberalen sozusagen Respekt vor den Verfassungsgerichten, vor den Höchstgerichten aufträgt, diesen einmahnt, die mit ihrem kongenialen Partner, der SPÖ, immer dann in eine verfassungsgesetzliche Regelung – unter Mißachtung der Verfassung meiner Interpretation nach – flüchtet, wenn sie sich sonst nicht mehr zurechtfindet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das müssen Sie sich einmal fragen! Was ist denn Mißachtung von Verfassungsgerichten, Herr Feuerstein, wenn Sie ganz banale Materien in den Verfassungsrang heben, damit Sie vom Verfassungsgericht nicht mehr kritisiert werden können? Was heißt es, Herr Feuerstein, wenn der Verfassungsrichter sagt: Wir sind dagegen, wir sind mehrheitlich gegen eine solche Regelung!? Ja was heißt denn das für uns als Parlamentarier? – Heißt das, daß wir sagen müssen: Aha, der Verfassungsgerichtshof ist mehrheitlich gegen eine Regelung! Alles steht still!

Was ist, wenn der Verfassungsgerichtshof irgendwann einmal sagt: Wir sind mehrheitlich gegen eine Änderung der Verfassung oder gegen irgendein Verfassungsgesetz!? Was tun Sie denn dann, Herr Feuerstein? (Abg. Dr. Feurstein: Ich hoffe, er muß das nie sagen!) Dann sind Sie nicht mehr regierungsfähig, und zwar schlagartig! Das muß ich Ihnen schon sagen.


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