Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 26

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beim Euro auch fragen!) Gibt es dort funktionierende Gewerkschaften? Sind diese Gewerkschaften wirklich eigenständige Partner, wenn es darum geht, soziale Fragen zu lösen? Von welchem wirtschaftlichen Niveau gehen sie aus?

Ich weiß, es gibt unter den Konzernen einige, die dort einen rasch wachsenden Markt erkennen, und es gibt einige, die sagen, daß es dort billige Arbeitskräfte gibt. Das allein ist aber zuwenig. Auch die betroffenen Länder sollten bedenken, welche Konsequenzen es für die industrielle und wirtschaftliche Infrastruktur hat, wenn die Erweiterung zu schnell vor sich geht.

Daher denke ich zwar, daß es richtig ist, diese Länder in einen Verhandlungsprozeß einzubeziehen und sie zu motivieren, sich dabei anzustrengen. Es ist wahrscheinlich auch richtig, jetzt schon Formen der politischen Integration zu finden, damit sie sich nicht zurückgestoßen fühlen, damit es nicht zu einer Polarisierung kommt und damit das nicht sicherheitspolitisch und friedenspolitisch negative Auswirkungen hat. Aber ich denke auch, daß der Schritt der ökonomischen Integration und des Angleichens des sozialen und des ökologischen Niveaus länger dauern wird, als man gegenwärtig vermutet.

Daher richte ich jetzt den Appell an den Herrn Außenminister, dies auch zu kommunizieren, wenn Österreich nächstes Jahr die Ratspräsidentschaft innehaben und dieses Thema in Österreich ein wesentliches Thema sein wird, das neben anderen Themen im Mittelpunkt dieser Präsidentschaft stehen wird. Man sollte dies auch zu dem Zweck kommunizieren, daß Angstmacherstrategien nicht greifen können und man wirklich mitteilt, daß uns politisch langfristig daran gelegen ist, daß man sich mit dem Ziel der Osterweiterung identifizieren kann, und daß man sehr genau darauf achtet, in welchem Tempo sie in Verbindung mit den ökonomischen, sozialen und ökologischen Möglichkeiten vor sich geht.

Ich denke, das sollte man in aller Deutlichkeit sagen, damit es diesbezüglich keine Illusionen gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schieder: Das ist ja eine Contra-Rede gewesen! – Abg. Haigermoser: Cap hat aber keinen Partner dafür beim Koalitionspartner!)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten.

10.35

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Danke schön. – Hohes Parlament! Erlauben Sie mir, ein wenig auf die aufgeworfenen Fragen einzugehen.

Eine Diskussion über die Rolle Österreichs und der österreichischen Außenpolitik gegenüber der Zeit vor der Mitgliedschaft ist ja recht interessant. Das ist genau der Punkt, den Frau Abgeordnete Kammerlander und auch andere Redner angesprochen haben.

Ich denke, daß wir uns daran gewöhnen müssen, daß wir heute eine völlig andere Rolle und eine andere Rollendefinition für unsere Außenpolitik entwickeln müssen, als dies vor dem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 der Fall war. Damals war es leicht möglich, sich in bestimmten Marktnischen eigenständig zu bewegen, gewisse Vermittlungsfunktionen zu übernehmen und ein gewisses eigenständiges Profil zu haben. Heute geht das auch, aber wir haben innerhalb der Europäischen Union einerseits eine größere Verantwortung für das Ganze und andererseits auch gewaltig mehr Mitspiel- und Mitentscheidungsmöglichkeiten als zu der Zeit, als das noch nicht der Fall war.

Zweitens darf man nicht übersehen, daß es Knotenpunkte in der Geschichte gibt, an denen eine Entscheidung fällt, auch wenn Sie fast eine Lust am Streit über eine solche Entscheidung zum Ausdruck gebracht haben. Heute ist eine andere Zeit angesagt. Heute geht es nicht darum, leidenschaftlich darüber zu streiten, ob Kroatien anerkannt werden soll oder nicht. Gott sei Dank ist jeder Nachfolgestaat anerkannt. Heute geht es darum, den Frieden in dieser Region zu sichern. Dies kann nur mit den Mitteln der Europäischen Union wirtschaftlich, mit den Mitteln der


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