Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 172

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Personengruppen. Wenn es aber um Ihren eigenen Minister geht, dann sagen Sie: Was, der Herr Minister berücksichtigt die Verfassung nicht? Na so etwas Tragisches! – Er spricht bereits von einem autonomen Vorvollzug. Aber das regt Sie nicht mehr auf! Denn die Neutralität war, wie ich vor kurzem vom ehemaligen Bundesminister für Landesverteidigung Lichal gehört habe, Selbstbetrug. (Abg. Dr. Maitz: Politische Meinungsfreiheit: Gott sei Dank haben wir sie!) Meine Damen und Herren! Lichal geht zu Versammlungen und verkündet frank und frei, daß die Neutralität Selbstbetrug und ein reines Scheingefecht der österreichischen Bevölkerung gemeinsam mit der Regierung war. Die Regierung habe der Bevölkerung offensichtlich etwas vorgemacht. Das sei Selbstbetrug gewesen. – Das sagt ein ehemaliger Bundesminister in den Veranstaltungen, in denen er offen für den Beitritt zur NATO wirbt! Das ist aber jetzt sein gutes Recht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. )

Herr Maitz! Sie übersehen etwas dabei: Es handelt sich nicht um einen Diskussionsbeitrag des Herrn Bundesministers, wenn er in seiner offiziellen Funktion als Minister für Landesverteidigung in Tschechien auftritt. (Abg. Dr. Maitz: Ich verstehe: Ein Minister ist für euch nur gut, wenn er außer Dienst ist!) Bei einem Auftritt des Bundesministers für Landesverteidigung bei einer NATO-Veranstaltung handelt es sich nicht um das Kundtun einer persönlichen Meinung bei einer Privatveranstaltung! Der kleine Unterschied besteht darin: Auf der einen Seite sitzen die Volksvertreter, die hier ihre politische Meinung zu artikulieren und das Volk zu vertreten haben, auf der Regierungsbank aber sitzt die Exekutive, die das durchzuführen hat, was hier in diesem Haus beschlossen wird. (Abg. Dr. Maitz: Sie hat selbstverständlich auch politische Meinungsfreiheit! Wo kommen wir denn sonst hin?) Herr Abgeordneter Maitz! Es geht nicht um Meinungsfreiheit, wenn der Bundesminister für Landesverteidigung bei der Anfragebeantwortung sagt: Wir machen im autonomen Vorvollzug alles so, als ob wir bei der NATO wären. (Abg. Dr. Maitz: Sehr verantwortungsbewußt!)

Man muß sich das einmal anschauen: Der Herr Bundesminister hat – was besonders bezeichnend war – gesagt, daß das gemacht wird, "um nicht im Falle des Beitritts dann mit noch größeren Kosten kurzfristige Änderungen vornehmen zu müssen". Beeindruckend dabei ist, daß er von "noch größeren Kosten" spricht. Im Originalzitat ist von "noch größeren Kosten" die Rede. (Bundesminister Dr. Fasslabend: Ich gebe Ihnen das Originalzitat!) Danke, ich habe es hier! Aber es freut mich, daß Sie es auch haben! Sie sind sehr gut vorbereitet für die heutige Sitzung!

"Noch größer" besagt, daß Sie schon einmal bekanntgegeben haben, daß es sehr hohe Kosten bei einem NATO-Beitritt geben wird. Und es würde noch größere Kosten geben, würden Sie nicht jetzt in weiser Voraussicht und unter Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit agieren. – So etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt! Herr Kollege Maitz! Diese Art der Interpretation in dieser Frage halte ich wirklich für unglaublich! Das kann nur Ihnen einfallen! Aber Sie haben offensichtlich ein merkwürdiges Rechtsverständnis. (Abg. Dr. Maitz: Jawohl, Herr Jurist Wabl!)

Meine Damen und Herren! Abgeordneter Gaál hat hier davon gesprochen, daß eine Strukturreform fehlt, daß diese Vorgangsweise nicht zu akzeptieren ist – und er ist immerhin der Wehrsprecher der SPÖ! (Abg. Dr. Maitz: Wir werden darüber diskutieren!) Selbstverständlich werden wir darüber diskutieren! Wir diskutieren mit dem Minister, ob er richtig vollzieht! Wir diskutieren mit dem Herrn Minister, ob die Neutralität schon obsolet ist! Wir diskutieren mit dem Minister, ob die Neutralität ein Selbstbetrug war! Wir diskutieren mit dem Minister, ob die Verfassung überhaupt noch unsere Verfassung ist oder ob sie nicht schon längst obsolet ist! Wir diskutieren mit dem Minister, ob die Neutralität nicht schon längst zu entsorgen ist!

Kollege Maitz! All das ist korrekt! Sie können das auf jeder Veranstaltung tun. Es ist selbstverständlich Ihre Pflicht, das kundzutun, was Sie politisch meinen! (Abg. Dr. Maitz: Das ist Demokratie! Gott sei Dank sind es nicht die fundamentalistischen Grünen, die das bestimmen!) Das, was der Minister macht, ist meines Erachtens ein glatter Bruch der Verfassung! Aber das hat auch schon sein Kollege Lichal getan! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Lichal hatte ein ähnliches Rechtsverständnis. Als er auf der Regierungsbank saß, hat er einmal hier gesagt, daß für ihn alles erlaubt ist, was nicht verboten ist. (Abg. Guggenberger: Das hat Haider unlängst auch gesagt!) Ich weiß, es gibt mehrere, die das


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