Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 187

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haben oder erlitten zu haben glauben. Immer mehr Soldaten bringen in ihren Beschwerden die tiefe Verunsicherung beziehungsweise geradezu Erbitterung, die sie über den Zustand des Heeres als Ganzes empfinden, zum Ausdruck.

Da gibt es etwa die Beschwerde, daß eine Einheit ohnehin nicht um ein Fahrzeug mehr hat, als unbedingt gebraucht wird, dann aber unter einem Vorwand, etwa daß man kurzfristig ein Geländefahrzeug herborgen müsse, dieses Fahrzeug weggenommen wird und man es nicht mehr zurückbekommt, weil irgendeine Verwaltungsstelle in der Landeshauptstadt es dringender benötigt hat. Eine Beschwerde des erbitterten Kompanie-Kommandanten ist die Folge.

Weiters gibt es Beschwerden von Grundwehrdienern, die als Pioniere einrücken und feststellen müssen, daß sie keinen Pionierdienst versehen und auf diesem Sektor nichts lernen können. Denn wenn sie urgieren, warum sie nicht für Wasserbauten, Brückenbauten oder ähnliches ausgebildet und eingesetzt werden, wird ihnen bedeutet: Erstens haben wir kein Material und keine Geräte dafür, zweitens haben wir auch nicht genug Leute. Grundwehrdiener werden zu Dutzenden aus dem Pionierbereich versetzt und anderswo zugeteilt, weil man nicht genug Mannschaften, Geräte und auch nicht die notwendigen Werkzeuge hat, um das, was Pioniere lernen müssen, auch tatsächlich vermitteln zu können.

Ferner hört man, daß es etwa bei den "neuen" – unter Anführungszeichen, denn sie sind auch bereits recht überwutzelt – Panzerverbänden zuwenig Munition gibt. Es gibt nicht einmal die Erstausstattung an Munition für die LEOPARDEN und JAGUARE. Man kann sich vorstellen, was im Kopf eines verantwortlichen Kommandanten vorgeht, wenn er sich mit seinen Leuten einer solchen Situation gegenübersieht!

Auch besteht die Situation – einer meiner Vorredner, Abgeordneter Schöggl, hat es ja schon gesagt –, daß es immer mehr Häuptlinge und immer weniger Indianer gibt. Das führt dazu, daß zum Beispiel in Vorarlberg ein Divisionär als dortiger Militärkommandant nur etwas mehr als eine Kompanie in den Grenzen des Bundeslandes unter seiner Obhut weiß. Es gibt schöne, neu hergerichtete und große Kasernen in Vorarlberg, aber nur eineinhalb Kompanien, die ein Divisionär unter sich hat.

All diese Übelstände bringen die Soldaten, die Offiziere, die Unteroffiziere und auch die Mannschaften und Grundwehrdiener, zum Zweifeln und zum Verzweifeln. Immer wird dann politisch argumentiert, wie denn Investitionen vorgenommen werden sollen und man wissen solle, was wirklich anzuschaffen ist, wenn man nicht weiß, wohin der Weg politisch geht, wenn man nicht weiß, ob der Weg jetzt in die NATO führt oder nicht, ob wir neutral und allein bleiben oder uns in einem Bündnis wiederfinden werden. – Das ist in Wahrheit jedoch nichts als eine billige Ausrede, meine Damen und Herren! Denn egal, ob wir letztendlich in der NATO landen – und ich bin überzeugt davon, daß es auf Dauer so kommen wird, ob viele von uns das wollen oder nicht –, oder ob wir allein, mehr oder weniger neutral oder nicht neutral bleiben: Das Heer wird sich in dem Zustand, in dem wir es jetzt vorfinden, so und so nicht halten können. Die genannte Ausrede ist also eine faule Ausrede! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Soviel zum Zustand des Heeres selbst, wie er sich einem Vorsitzenden der Bundesheerbeschwerdekommission aus seiner Erfahrung im Umgang mit dem, was aus dem Heer an ihn herangetragen wird, darstellt.

Erlauben Sie mir nun, von den täglichen Sorgen der Beschwerdekommission noch etwas ins Treffen zu führen: Für die nächste Novellierung des Heeresgesetzes, die ja bevorsteht, wünschen wir uns – und das kann keine parteipolitische Frage sein, das müßte man eigentlich durchsetzen können – zwei Dinge:

Einerseits wünschen wir uns eine Bagatellgrenze für die Behandlung von Beschwerden. Denn das Heer ist kein Mädchenpensionat, das wissen wir alle. Echte Unbill und echtes Unrecht sollen geahndet werden. In solchen Fällen soll der Beschwerdeführer recht bekommen. Für die Fälle, in denen es aber wirklich nur um einen Schmarrn geht, will die Beschwerdekommission die Möglichkeit haben, die Behandlung ablehnen zu können. Wir wollen also die Einführung einer Bagatellgrenze. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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