Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 25

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Herr Kollege Stadler! Sie vergießen hier Krokodilstränen. Wir werden heute zwar einen Beschluß in zweiter, nicht aber in dritter Lesung fassen. Wir unterlassen damit nicht nur einen Gesetzesbeschluß, der sich mit der Bundesverfassung selbst befaßt, sondern darüber hinaus auch den Beschluß des Artikel 15a-Vertrages, also der Vereinbarung selbst (Abg. Mag. Stadler: 15b!), weil wir diese noch – wie vereinbart – am Beginn des nächsten Jahres im Verfassungsausschuß zu beraten haben werden.

Wir haben uns also in diesem Zusammenhang – da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Stadler – entschlossen, diesen Vertrag, der dem Artikel 15a ähnlich ist, in einer zweiten Phase zu beschließen und fürs erste die verfassungsgesetzliche Grundlage zu schaffen. Diese verfassungsrechtliche Grundlage wird aber heute nicht endgültig beschlossen werden, sondern dies wird erst dann der Fall sein, wenn die Vereinbarung mit den Ländern ausgiebig beraten worden ist.

Aber heute kann man schon sagen, daß auch an diesem Verfahren, wie es uns vorgelegt worden ist, tiefgreifende Änderungen vorgenommen werden, Änderungen, die sicherstellen, daß eine Beratung nur mit Parlamentariern gemeinsam in den Konsultationsausschüssen stattfinden wird. Darüber hinaus – das ist für mich das Entscheidende – wird in einer Änderung dieser Vereinbarung sichergestellt werden, daß es keinen Konsultationsmechanismus bei parlamentarischen Änderungen gibt, daß immer dann, wenn das Parlament Änderungen vornimmt, automatisch eine Umkehrung der Kostentragungspflichten gemäß dem Finanzverfassungsgesetz kommen wird. Somit kann ein konsultativer Eingriff in den Gesetzgebungsprozeß definitionsgemäß überhaupt nicht stattfinden.

Meine Damen und Herren! Die verfassungsgesetzlichen Bedenken von Professor Brünner sind in diesem Zusammenhang zweifelsfrei überzogen. Eine Diskussion, die, um wirksam zu werden, erst einen Gesetzesbeschluß im Nationalrat notwendig macht, ist kein Eingriff in Gesetzgebungsrechte des Nationalrates und auch nicht der Landtage.

Ich kann darüber hinaus dieser Regelung durchaus auch Positives abgewinnen, nämlich daß uns erspart blieb, was in der Vergangenheit immer wieder zu sehr tiefgreifenden Schwierigkeiten geführt hat, nämlich daß die Länder erst dann begonnen haben, gegen Regelungen, gegen die sie teilweise durchaus auch sachliche Einwände gehabt haben, die Diskussion aufzunehmen, wenn das Begutachtungsverfahren bereits lange vorbei war. In nicht wenigen Fällen, nachdem bereits in Kenntnis der Länder ein Beschluß des Ministerrates gefaßt wurde, konnte mitunter erst dann eine Diskussion mit den Ländern auf Initiative der Länder aufgenommen werden, wenn die Ausschußberatungen abgeschlossen waren, und in einigen Fällen gab es sogar die besonders unbefriedigende Situation, daß die Diskussion über Regelungen, die die Länder nicht mittragen wollten oder bei denen sie auch durchaus berechtigte Einwände gehabt haben, erst zwischen dem Zeitpunkt des Beschlusses im Nationalrat und jenem im Bundesrat stattgefunden hat. Das wird in Zukunft durch eine zeitliche und inhaltliche Ordnung der Gespräche vermieden werden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zur Bundesstaatsreform selbst sagen. Ich bin davon überzeugt, daß wir im Jahr 1994 schlicht und einfach zu kurz gegriffen haben, und dies insbesondere in zwei Zusammenhängen: einerseits im Zusammenhang mit der Kompetenzbereinigung.

Die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern ist derzeit absolut unbefriedigend. Sie ist veraltet, nämlich aus dem Jahr 1925 stammend, und es ist darüber hinaus aufgrund der politischen Ereignisse und Diskussionen in den letzten 70 Jahren zu einer solchen Atomisierung gekommen, daß eine Neuordnung ausreichend begründet ist, notwendig ist, ja sogar geboten ist.

Ich habe nach Diskussion in meiner Fraktion in der Öffentlichkeit den Vorschlag gemacht, von 177 Kompetenzregelungen auf 17 zu reduzieren. Es kommt in diesem Zusammenhang, wie in vielen anderen Bundesstaaten, zu einer konkurrierenden Gesetzgebung, aber unter dem Harmoniegebot, das dazu führt, daß sich dort, wo eine konkurrierende Gesetzgebung vorliegt, Bundesrecht durchsetzt.


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