Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 33

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Aber auch der weitere Inhalt dieses Gesetzes überrascht, und zwar gerade unter dem Gesichtspunkt der Architektur, denn er bringt tatsächlich Neues. Es ist ja schon gesagt worden, daß auf dieser Grundlage eine neue Art von Vereinbarungen abgeschlossen werden kann, die eben nicht Artikel-15a-Vereinbarungen sind, sondern Vereinbarungen sui generis sein werden.

Auch in diesem Zusammenhang will ich einen Kritikpunkt zum Inhalt anbringen. Wenn es im Artikel 2 Abs. 2 heißt – ich sage das verkürzt –: Gemeindebünde sind berechtigt, Anträge gemäß Artikel 138a Abs. 1 B-VG zu stellen, und wenn dann dort steht, daß eben andere Organe beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen können, ob eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 15a Abs. 1 vorliegt – und es ist das eine neue Art von Vereinbarung –, so müßte eigentlich der Verfassungsgerichtshof permanent diese Frage verneinen, weil das eben keine Artikel-15a-Vereinbarungen sind.

Herr Klubobmann Khol hat gesagt, dieser Gesetzentwurf sei ein erster Schritt in Richtung Bundesstaatsreform. – Wenn dem so ist, dann muß ich sagen: Dieser Schritt geschieht – ich wollte eigentlich sagen: mit einem eingegipsten Bein –, nein, ich korrigiere mich: Dieser Schritt geschieht nicht einmal mit einem eingegipsten oder geschienten, sondern mit einem gebrochenen Bein; vielleicht sogar mit zwei gebrochenen Beinen. Und es ist nicht der Schritt, den ich mir in Richtung einer vernünftigen und notwendigen Bundesstaatsreform vorstelle.

Vielleicht ist die einzig positive Bestimmung dieses Bundesverfassungsgesetzes der Artikel 4, der da lautet: "Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt gleichzeitig mit den in Artikel 1 genannten Vereinbarungen außer Kraft. Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt weiters außer Kraft, wenn die Vereinbarungen gemäß Art. 1 bis zum Ende dieser Gesetzgebungsperiode nicht zustande kommen." – Das ist der einzig positive Punkt, den ich an diesem Bundesverfassungsgesetz, das mit Sicherheit beschlossen werden wird, sehe. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.00

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist interessant, daß Herr Präsident Brauneder im Ausschuß wesentlich andere Stellungnahmen abgegeben hat als hier vom Rednerpult aus. Es geht bei diesem Verfassungsgesetz, das wir jetzt beschließen, im Grunde darum, daß die drei Gebietskörperschaften gleichberechtigt mitein-ander Konsultationen, Beratungen vornehmen und Verträge abschließen können. Bund, Länder und Gemeinden sollen gleichberechtigt sein und gleichberechtigt auch verschiedene Dinge für sich regeln können. Das ist das Wesentliche. Das wollen wir ermöglichen, und darum geht es eigentlich bei diesem Bundesverfassungsgesetz, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist richtig, wie Abgeordneter Khol gesagt hat, daß dieses partnerschaftliche Verhältnis, insbesondere was die Gemeinden, die Städte angeht, in der Vergangenheit nicht so beachtet worden ist, wie wir das gerne haben möchten. Die Gemeinden und die Städte sind in diesem staatlichen Gemeinwesen für uns genauso Partner wie Bund und Land, und sie sollen nun zusammenwirken können. Wenn die finanziellen Überlegungen im Vordergrund dieser Konsultationen stehen, die nun ermöglicht werden, so ist das verständlich, denn es geht natürlich in erster Linie um Finanzfragen, wenn zusammengearbeitet werden soll und zusammengearbeitet werden muß.

Lassen Sie mich aber einige Grundvoraussetzungen für unsere Seite noch einmal klar skizzieren und klar festlegen. Die erste Grundvoraussetzung ist, daß diese Konsultationen auf der Ebene der Regierungen zu erfolgen haben: Bundesregierung, Ministerrat mit Landesregierungen, mit den Verantwortlichen der Städtebünde und des Gemeindebundes. Es soll also nicht eine Konsultation sein, die in die Gesetzgebung unmittelbar eingreift, sondern eine, die die Gesetzgebung im wesentlichen unbeeinflußt läßt. Natürlich soll die Gesetzgebung Rücksicht nehmen auf das, was vereinbart worden ist.


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