Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 61

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Verhandlungen über den 5. Tagesordnungspunkt, damit wir jetzt – um 15 Uhr – zur Durchführung der Debatte über die Dringliche Anfrage kommen können.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Defizite der österreichischen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik (3388/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zur Diskussion steht die schriftliche Anfrage 3388/J. Diese Anfrage ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Bundeskanzler Klima, 29. Jänner 1997, Erklärung des Bundeskanzlers:

"Der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik darf nicht das Verwalten und das Versorgen von Arbeitslosen sein. Der Schwerpunkt muß eine aktive Arbeitsmarktpolitik sein, die all den nachteiligen Folgen des Verlustes eines Arbeitsplatzes – vom Qualifikationsverlust über den Verlust des Selbstwertgefühls und der Motivation bis hin zu den zunehmenden Schwierigkeiten für die Wiedereingliederung – entgegenwirkt und eine effiziente Vermittlung darstellt."

Bundesminister Edlinger, 8. Juli 1997, Zur Wirtschaftlichen Lage:

"Für uns ist das Erreichen von Vollbeschäftigung in Österreich keine Utopie, sondern ein politisches Ziel. Wir werden dieses Ziel nicht von heute auf morgen schaffen. Aber – auch wenn wir noch große Anstrengungen vor uns haben – es bleibt das Ziel dieser Bundesregierung und wir werden nichts unversucht lassen, um in Österreich wieder Vollbeschäftigung herzustellen."

Der Beschäftigungsgipfel in Luxemburg Ende November hat, basierend auf dem neu geschaffenen Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Vertrages, zu beschäftigungspolitischen Leitlinien geführt, die bis zum EU-Gipfel in Cardiff in nationale beschäftigungspolitische Aktionspläne mit in Zahlen ausgedrückten Zielen umformuliert werden müssen und am österreichischen EU-Ratsgipfel Ende 1998 einer erstmaligen Prüfung unterzogen werden.

Nach Ansicht der Grünen stellen die Beschlüsse von Luxemburg zwar aufgrund der auch im Vertrag von Amsterdam verankerten Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vorlage mehrjähriger Beschäftigungsprogramme und deren Überprüfung einen Schritt in die richtige Richtung dar, verbleiben jedoch infolge der Sanktionslosigkeit unverbindlich und sind daher insgesamt als zu wenig weitgehend und effektiv zu bewerten. Auch ihre Unterordnung unter die Grundzüge der Wirtschaftspolitik (insbesondere die Konvergenzkriterien der Wirtschafts- und Währungsunion und den Euro-Stabilitätspakt) stellt von vornherein eine Beschränkung der Möglichkeiten aktiver Beschäftigungspolitik in den Mitgliedstaaten dar. Die formulierten "Leitlinien" beinhalten zwar einige konkrete Zielvorgaben (zum Beispiel Eingliederung arbeitsloser Jugendlicher in den Arbeitsmarkt innerhalb von sechs Monaten), sind jedoch sowohl infolge ihrer wie bereits erwähnten weitgehenden Unverbindlichkeit als auch aufgrund ihrer zum Teil bedenklichen inhaltlichen Ausgestaltung (Ratspräsident Juncker sprach sich wiederholt für Arbeitszwang für Arbeitslose aus) aus grüner Sicht äußerst problematisch.

Es besteht die nicht zu unterschätzende Gefahr, daß Österreich die EU-Beschlüsse dazu mißbraucht, weitere Sozialabbaumaßnahmen durchzuführen, Zwangsvermittlungen für Arbeitslose einzuführen und die Bekämpfung der steigenden Armutsgefährdung hintanzustellen.

So ist nicht auszuschließen, daß die in Luxemburg beschlossenen, mittel- bis langfristig ausgerichteten beschäftigungspolitischen Leitlinien in der folgenden nationalen Ausgestaltung die Dringlichkeit kurzfristiger (sofort wirksamer) arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Maßnahmen unberücksichtigt lassen, daß durch eine Fokussierung auf ausschließlich beschäftigungsorien


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite