Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 70

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Vizekanzler Schüssel hat erklärt, die ÖGB-Vorgabe, die Reduktion von 4,5 – OECD-Rate – auf 3,5 Prozent geht ihm viel zuwenig weit. Er möchte gern mehr haben, das ist zuwenig ehrgeizig. Er hat dann aber auch dazugesagt, man muß dem Arbeitsmarkt die Fesseln nehmen. – Ich hätte gern gewußt, Herr Bundeskanzler, ob Sie auch dem Arbeitsmarkt die Fesseln nehmen wollen und was Sie darunter verstehen, ob "die Fesseln nehmen" heißt, daß wir in Zukunft bei zu beschäftigenden Personen darauf verzichten, kollektivvertragliche Löhne und dauerhafte Beschäftigung anzubieten, was ja ein Teil dessen ist, was wir morgen beschließen. Oder geht es der Bundesregierung schon noch darum, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen, Arbeitsplätze, die Einkommen sichern können, und nicht nur Arbeitsplätze, mit denen man arm bleiben muß?

Das sind die Themen, zu denen wir etwas von Ihnen hören wollen: Um welche Art von Beschäftigung geht es? Wieviel Beschäftigung wird geschaffen, und in welcher Frist wird sie geschaffen? – Wir fordern von Ihnen konkrete Erklärungen ein.

Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie in Zukunft gedenken, die einzelnen Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin gegeneinander auszuspielen. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie Maßnahmen setzen, die tatsächlich denen, die heuer bestraft wurden, nämlich den älteren Arbeitslosen, jenen Menschen auf Transitarbeitsplätzen in den konkreten Beschäftigungsprojekten, auch eine Zukunftsperspektive bieten können, ob Sie hier Wege gehen wollen, die den Betroffenen und nicht nur den Kerngruppen auf dem Arbeitsmarkt, sondern denen am Rand, den Behinderten, den Langzeitarbeitslosen, den schwer Vermittelbaren, eine Perspektive schaffen, die es ihnen ermöglicht, auch wieder durch Arbeit Fuß zu fassen in dieser Gesellschaft, oder ob Sie von vornherein diese Gruppen aufgeben wollen.

Wir wollen von Ihnen wissen, welche konkreten Projekte Sie im nächsten Jahr entwickeln und wo Ihre Schwerpunkte liegen, nicht die Kerngruppen betreffend. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie daran denken, die Finanzierungen auszuweiten und woher Sie das Geld für die Arbeitsmarktpolitik nehmen wollen. Wir wollen vor allem von Ihnen wissen, Herr Bundeskanzler, ob in den nächsten Tagen nach dieser Erklärung den Ankündigungen auch Taten und den Versprechen auch Programme folgen werden und wann wir mit einem nationalen Beschäftigungsprogramm rechnen können.

Herr Bundeskanzler! Wir wollen nicht eine weitere Debatte abführen, wie wir sie schon so oft zum Thema Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in diesem Haus gehabt haben, wo Sie sich und auch andere Vertreter der Bundesregierung hier herausstellen und uns einmal mehr erklären, daß Sie ja ohnehin an Programmen arbeiten. Wir wollen etwas Konkretes wissen, und wir wollen, daß Sie sich für die Arbeitslosen in diesem Land einsetzen. Wir wollen, daß Sie nicht Politik machen auf Kosten der Arbeitslosen, nicht gegen sie, sondern für sie. (Beifall bei den Grünen.)

15.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Herr Bundeskanzler hat sich zur Beantwortung der Anfrage zu Wort gemeldet. Herr Bundeskanzler, Sie haben das Wort. Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.22

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den vielen Fragen, die mir der Herr Abgeordnete Öllinger gestellt hat, und bei dem Anspruch auf umfassende Beantwortung werde ich mich bemühen müssen, mit 20 Minuten auszukommen. Erlauben Sie mir, Herr Abgeordneter Öllinger, eingangs ein paar Bemerkungen auch in Richtung der Begründung Ihrer Anfrage zu machen.

Ich bedanke mich vorerst, daß Sie in Ihrer Begründung das Ergebnis des Gipfels von Luxemburg als Schritt in die richtige Richtung qualifizieren und auch als solchen anerkennen. Ich glaube, daß wir Österreicherinnen und Österreicher zu Recht darauf stolz sein können, daß es unser gemeinsames Ansinnen und unser gemeinsamer Kampf war, die dazu geführt haben, daß das Thema Beschäftigung ein europäisches Anliegen geworden ist, daß es zu diesem Beschäftigungskapitel im Vertrag von Amsterdam kam und daß es auch zu diesem Sondergipfel für


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