Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 129

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wie das Kollege Kier auch von Kollegen Khol gesagt hat, ist es mir unverständlich, daß wir hier und heute diesen Gesetzentwurf so beschließen sollen. – Es war immerhin Kollege Khol, der gesagt hat, der Begriff "Sekte" ist ein Kampfbegriff der katholischen Kirche und daher unbrauchbar. So wie ich die beiden Kollegen kennengelernt habe – dazu zähle ich alle anderen Kollegen auch, die sich im Unterausschuß in dieser Frage beraten haben –, ist es mir wirklich unverständlich.

Denn eines möchte ich schon feststellen: Im Ausschuß und auch nach dem Ausschuß hat es von seiten der Regierungsparteien nicht nur Abänderungsanträge – einen davon erleben wir auch heute –, sondern auch Bedenken zu diesem Gesetz gegeben, ob es in der vorliegenden Form tatsächlich einigermaßen den rechtlichen Grundlagen entspricht.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich muß Ihnen schon sagen, ich bin überrascht, daß Sie steif und fest behaupten, dieses Gesetz sei auf dem Prüfstand des liberalen Rechtsstaates. Und wenn wir dieses Gesetz nicht beschließen, dann gebe es Probleme, dann gehe möglicherweise der liberale Rechtsstaat vor die Hunde. Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, könnte ich Ihnen jetzt die Stellungnahmen von zahlreichen Ministerien vorlesen, vom Innenministerium, vom Außenministerium, vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, vom Justizministerium, vom Familienministerium, die alle ablehnend sind. Alle Spitzenbeamten in den Ministerien, die sich zu diesem Gesetz geäußert haben – es sind nicht nur die Ministerien, die sich dazu geäußert haben –, lehnen es ab, betonen, daß dieses Gesetz in wesentlichen Grundsätzen verfassungswidrig ist.

Und da kommen Sie her und sagen, wenn wir dieses Gesetz nicht beschließen, dann ist der liberale Rechtsstaat gefährdet. Sie nehmen sich doch selbst nicht ernst! Man kann nicht oft genug betonen, welcher Unfug hier mit Wörtern, mit Kampfbegriffen getrieben wird: "Liberaler Rechtsstaat auf dem Prüfstand"; "Wenn wir dem nicht zustimmen, ist alles in Gefahr!" (Abg. Dr. Niederwieser: Wer?) – Das war Kollege Amon.

Meine Damen und Herren! Wenn ich einen Gesetzentwurf mit dermaßen vernichtenden Kritiken von zahlreichen Ministerien, aber nicht nur von diesen, sondern auch von Kirchen, von Kirchenrechtlern, von anderen Institutionen hätte, dann würde ich etwas vorsichtiger sein und würde etwas in mich gehen und mich fragen, ob vielleicht mit diesem Gesetzentwurf doch einiges nicht in Ordnung ist.

Das sind nicht nur die Ministerien und nicht nur die Spitzenbeamten. Ich war selbst erstaunt, daß mir im Ausschuß Ministerialbeamte, mit denen ich Gespräche geführt habe, sozusagen als Kronzeugen für dieses Gesetz einen Kirchenrechtler genannt haben, nämlich Professor Potz. Ich habe dann nach diesem Ausschuß die Stellungnahme von Professor Potz ausführlich gelesen, und ich war selbst erstaunt, als ich feststellen mußte, daß gemäß dieser Stellungnahme des Universitätsprofessors Potz, Institut für Kirchenrecht, kein Punkt von diesem Gesetz übrigbleibt, der einigermaßen zu vertreten wäre.

Es gibt auch Stellungnahmen der Evangelischen Kirchen, Augsburger und Helvetisches Bekenntnis, und es ist kein Zufall – das ist eine Minderheitenkirche in Österreich, die in dieser Frage ganz sicher etwas sensibler ist –, daß auch in dieser Stellungnahme der Evangelischen Kirchen klar zum Ausdruck kommt, daß sie bei diesem Gesetz große Bedenken haben.

Sogar in der einzigen absolut positiven Stellungnahme, nämlich jener der Bischofskonferenz der katholischen Kirche, kommt zum Ausdruck, daß man eigentlich über dieses Gesetz weit hinausdenken und die Fragen der Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften, wie sie im Anerkennungsgesetz geregelt sind, grundsätzlich neu überdenken müßte. Die katholische Kirche erklärt dazu im Rahmen der Bischofskonferenz, sie sei dazu bereit. Aber wenn ich so in die Regierungsparteien hineinhöre, dann kann ich nicht feststellen, daß irgend jemand bereit wäre, darüber zu diskutieren.

Und das ist ein Problem, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das Sie mit diesem Entwurf haben. Sie ignorieren im Prinzip sämtliche Stellungnahmen, sogar die der katholischen Kirche, die sagt, daß auch das Anerkennungsgesetz in der alten Form zur Debatte


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