Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 131

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auseinandergesetzt –, das würde nicht schaden. Kollege Kier hat sehr richtig darauf verwiesen, in welchem Gewand sich derartige Gemeinschaften verstecken. Diese brauchen keine Anerkennung nach dem neuen Gesetz. Für diese reicht es, nach dem Vereinsgesetz anerkannt zu werden. Und wenn das nicht reicht, dann treten sie als Arbeitsmarktbetreuungsverein – das gibt es auch –, als Firmenberatung, Managementberatung oder was weiß ich sonst auf. Und niemand kann sie offensichtlich daran hindern, denn einen Fall haben wir zumindest in einer Anfrage von seiten der Freiheitlichen beziehungsweise in einem Bericht der Stadtzeitung "Falter" schon öffentlich. Niemand kann und will verhindern, daß eine Gruppe wie beispielsweise Scientology im Auftrag des Arbeitsmarktservice tätig wird. – Na ja, das passiert halt! Wie können wir das prüfen?

Und Sie glauben, daß Sie das mit diesem Gesetz verhindern können? Über soviel Einbildung kann man nur lachen. Selbstverständlich ist das nicht möglich. Hinter diesem Gesetz steht eine grobe Anmaßung des Gesetzgebers, aber nicht nur eine Anmaßung, sondern auch ein Versuch, in Grundrechte einzugreifen. Der Gesetzgeber maßt sich vor allem in bestimmten Ausführungen einiges an, beispielsweise in § 11, in dem er verlangt, daß für das Anerkennungsverfahren "eine positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft" notwendig ist – das ist die Ziffer 4 – oder "keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sowie sonstigen Religionsgemeinschaften".

Das ist eine grobe Anmaßung, würde ich meinen, denn selbstverständlich – wir haben auch in den Ausschußberatungen darüber diskutiert – gibt es so etwas wie Konkurrenz zwischen den Religionsgemeinschaften. No na net! Es würde doch – Kollege Kier hat auch darauf hingewiesen – beispielsweise niemand dem Islam vorwerfen wollen, daß er in einer klaren Konkurrenz zur katholischen Kirche steht. Nach diesem Gesetz wäre der Islam nicht anzuerkennen. Er hat kein positives Verhältnis zur katholischen Kirche. Er hat auch nicht unbedingt ein positives Verhältnis zu Gesellschaft und Staat.

Und ich sage Ihnen noch eines: Keine Weltanschauungsgemeinschaft, die nach dem Vereinsgesetz anerkannt werden muß, keine Partei, die in Österreich nach dem Parteiengesetz anerkannt werden kann, braucht diese positive Grundeinstellung zu haben, und Sie maßen sich an, den Leuten in ihr religiöses Bekenntnis hineinzupfuschen. Sie maßen sich an, jenen vorschreiben zu wollen, daß sie erstens die Differenz zu anderen Religionsgemeinschaften klarmachen und zweitens in ihrer religiösen Auffassung ein positives Verhältnis zu Staat und Gesellschaften nachweisen müssen. Wissen Sie eigentlich, worüber Sie sprechen? – Ich glaube, Sie wissen es nicht.

Es geht in der konkreten Auseinandersetzung mit bestimmten religiösen Gruppierungen, Sekten, Kulten – wie auch immer Sie das nennen wollen – um ganz konkrete Phänomene. Ich klammere die Gruppe Scientology aus, weil sie meiner Ansicht nach keine religiöse Gruppierung ist. Ich klammere sie aus. Wir müßten das ganz woanders behandeln. Aber wenn ich etwa über die Fragen der Zeugen Jehovas diskutieren will, fallen mir zwei Sachen ein, die ich als Gesetzgeber in einer Auseinandersetzung mit den Zeugen Jehovas diskutieren will und auch diskutieren muß: Das ist zum einen die Frage des Elternrechts bei den Transfusionen für minderjährige Kinder – eine sehr schwierige Frage, weil auch Grundrechte davon betroffen sind, aber eine wichtige Frage im Interesse der Kinder.

Die zweite Frage, von der ich glaube, daß man sie mit den Zeugen Jehovas klären müßte und auch klären kann, ist die Frage, wie Zeugen Jehovas beispielsweise mit den Personen umgehen, die im Rahmen der Zeugen Jehovas in – ich weiß nicht, wie das heißt – ordensähnlichen Gemeinschaften unentgeltlich tätig sind, teilweise ihr Leben lang dort sind, aber im Krankheitsfall nach Hause geschickt werden. Weil sie das Vertrauen Gottes verloren haben, werden sie hinausgeschickt. Das halte ich nicht nur für unmenschlich, sondern das halte ich für einen Diskussionsfall, bei dem sich der Staat mit einer Religionsgemeinschaft auseinanderzusetzen hat, welche Bürde oder welche Lasten diese Religionsgemeinschaft auf den Staat oder auch auf die Familie überwälzen will. Ich halte es für ein legitimes Verlangen, diese Fragen genauso wie jene der Bluttransfusion zu klären. (Abg. Dr. Leiner: Darüber kann man aber mit ihnen nicht reden!)


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