Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 132

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Das halte ich für völlig legitim, aber das bedarf einer anderen Auseinandersetzung, Herr Kollege Leiner. Diese Möglichkeiten könnten auch geschaffen werden. Suchen Sie den Dialog mit diesen Gruppierungen! (Abg. Dr. Leiner: Ich habe den Dialog gesucht – als Arzt!) Ich habe auch im Unterausschuß vorgeschlagen, ein Gremium zu schaffen, in dem es möglich ist, diese Auseinandersetzung zu suchen und Regelungen zu finden, die die Konflikte zwischen Staat und Religionsgemeinschaften entschärfen. Aber bitte erklären Sie mir, was das mit der positiven Grundeinstellung zu Staat und Gesellschaft zu tun hat! Sie werden doch wohl nicht von den Zeugen Jehovas verlangen, daß sie von ihrer grundsätzlichen Haltung als Wehrdienstverweigerer Abstand nehmen. (Abg. Dr. Leiner: Nein, nein!) Nein, nein, sagen Sie, aber genau das ist ein Punkt. (Abg. Dr. Leiner:  ... die Bluttransfusion!)

Was hat die Bluttransfusion mit der positiven Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft zu tun? – Sie hat nichts damit zu tun. Sie hat ganz konkret etwas mit Menschenrechten zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum.) Sie hat ganz konkret etwas mit Grundrechten von Kindern zu tun, aber sie hat nichts mit dem zu tun, was Sie hier zu beschreiben versuchen, meine Damen und Herren! Damit hat sie absolut nichts zu tun.

Ich verlange von Ihnen in der Auseinandersetzung auch mit den kleinen Kirchen, mit den religiösen Gruppierungen, mit den Sekten etwas Seriosität, und diese lassen Sie vermissen.

Die Grenze der 16 000 ist eine Grenze, die Sie ganz bewußt eingezogen haben, um nicht nur zu verhindern, daß sogenannte destruktive Kulte und Sekten nicht anerkannt werden. Sie verhindern damit auch die Anerkennung von jahrtausendealten Kirchen, beispielsweise der koptischen Kirche, Sie verhindern die Anerkennung der Mennoniten – das ist Ihnen kein Problem – und der Baptisten. Diese gibt es zwar noch nicht Tausende Jahre, aber immerhin schon über 100 Jahre.

Das sind Probleme, denen Sie sich stellen müssen, aber Sie wollen sich nicht stellen. Sie beschließen ein Gesetz beziehungsweise haben vor, es hier in diesem Haus zu beschließen, von dem Sie überzeugt sind und auch wissen, daß es nicht geeignet ist, die Sektenproblematik zu regeln. Sie sind überzeugt davon, daß Sie damit einzig und allein den anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften helfen. Damit soll es durchaus seine Bewandtnis haben. Sie wissen zum Beispiel wahrscheinlich nicht, was im Gutachten des Professors Potz eine Rolle gespielt hat, nämlich daß beispielsweise eine Kirche wie die Herrnhuter Brüderkirche aus 380 Personen bestanden hat. Diese ist im Jahr 1880 von der alten Donaumonarchie anerkannt worden, und zwar als Kirche – Anerkennungsgesetz – anerkannt worden.

Diese religiöse Gemeinschaft, die es nicht mehr gibt, die aber nach wie vor nach dem Anerkennungsgesetz als Religionsgemeinschaft geführt wird, hätte nach Ihren Gesetzen überhaupt keine Chance mehr, anerkannt zu werden. Ich glaube auch, die katholische Kirche hätte nach diesen Grundlagen, die Sie hier beschließen, keine Chance mehr, anerkannt zu werden. – Wissen Sie eigentlich, was Sie hier beschließen, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

19.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser gemeldet. Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

19.55

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Kollege Öllinger hat darauf hingewiesen, daß der Islam nach diesem Gesetz nicht mehr anerkannt werden könnte, weil er keine positive Grundeinstellung zur katholischen Kirche aufweist, die nach diesem Gesetz angeblich vorgeschrieben wäre.

Ich berichtige tatsächlich und brauche dazu nur das Gesetz oder den Entwurf vorzulesen:

Es braucht eine "positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" und – dann kommt es, Kollege Öllinger, das ist ein großer Unterschied – "keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften


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