Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 180

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Es geht aber, so meine ich, gar nicht so sehr um das Ob, sondern um das Wie. Und da sind ein paar Auffassungsunterschiede auszuräumen. Es wird immer erzählt, daß das, was bei EUROPOL geschieht, keine "operativen Tätigkeiten" seien. – Das ist ein Spiel mit Worten. Wenn man unter "operativer Tätigkeit" das konkrete Einschreiten von Exekutivbeamten vor Ort, Elemente wie Schußwaffengebrauch oder dergleichen versteht, dann ist es vielleicht noch akzeptabel, daß das, was da geschieht, tatsächlich keine operativen Tätigkeiten sind. Wenn man aber begreift, daß in einer Informationsgesellschaft, in einer Gesellschaft der vernetzten Welten, in einer Gesellschaft, in der immaterielle Kontaktaufnahmen, die nur noch auf der Ebene von Netzwerken und Datenaustausch laufen, die eigentlichen operativen Tätigkeiten sind, nämlich die leitenden operativen Tätigkeiten, dann kann man sich nicht damit zufriedengeben, daß da ein europäisches System ohne jede begleitende Kontrolle geschaffen wird. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

Natürlich wollen auch wir Liberalen, daß die Polizei international zusammenarbeitet, daß sie Fakten- und Informationsaustausch betreiben kann. Es stellt sich aber schon die Frage, welche Daten abgeglichen oder ausgetauscht werden. Über das Wetter wird man sich vermutlich nicht unterhalten, sondern eher über harte Fakten. Aber sind es "harte" oder "weiche" Daten, wenn über die Umgebung, über Begleitpersonen, über Kontaktpersonen, über Opfer und Zeugen sowie über deren besondere Eigenschaften bis hin zu ihrer Zugehörigkeit zu Organisationen Daten gesammelt werden: über Mutmaßungen, Vermutungen und "Auskünfte" vom Hörensagen? – Das sind "weiche" Daten.

Wenn sich aber internationale Polizeiorganisationen über "weiche" Daten zu verständigen beginnen, wird die Sache schon etwas kritischer. Darüber sind wir uns wohl einig, denn da wird nämlich vielleicht auch die persönliche Vorliebe des N.N. oder die persönliche Versponnenheit der A.B. zu einer dieser Daten. Es geht doch auch um die Prophylaxe.

Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, nur zu reagieren, hat Kollege Platter gesagt: Wir müssen doch schon vorausschauend Daten sammeln, die vielleicht später einmal benötigt werden könnten. – Das sind also prophylaktische Datensammlungen, und diese Daten werden vernetzt. Hoffentlich werden sie vernetzt, denn es geht doch um internationale Zusammenarbeit. Damit werden aber sozusagen neue Daten erzeugt. Vernetzung von Daten heißt Schaffung von Datenhierachien. Das alles sind sehr scharfe Waffen, und das ist eine Art von operativer Tätigkeit.

Ich bitte Sie: Denken Sie einmal in neueren Begriffen, in Begriffen der modernen Kommunikationsgesellschaft! Das ist bereits eine operative Tätigkeit. Nicht nur das Stanzen von Blech oder das Verhaften von Menschen sind operative Tätigkeiten: Auch das Entwickeln von Datenhierachien, die Pflege von Daten und ihr Abgleich ist eine spezifische Form von operativer Tätigkeit. – All das geschieht ohne jegliche Kontrolle, und diese mahnen wir ein. Das geschieht doch ohne jeglichen grundrechtlichen Schutz, ohne korrespondierende Grundrechte auf europäischer Ebene, ohne europäischen Grundrechtskatalog als Pendant zu EUROPOL auf derselben Ebene, ohne durchsetzbare Rechtszüge, ohne Anrufungsmöglichkeiten des EuGH und ohne jegliche begleitende richterliche Kontrolle, ohne demokratische Kontrolle und unter Ausschaltung der Strafverfolgungsbehörden. Die Polizei ist so letztlich eine Strafverfolgungsbehörde ihrer selbst. Und das ist bitte eher ein Polizei- als ein Rechtsstaat, und deswegen haben wir Bedenken, Kollege Löschnak. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir wissen schon, daß bei der Verbrechensbekämpfung selbstverständlich mit adäquaten Mitteln vorgegangen werden muß, das heißt aber noch lange nicht, daß man mit beliebigen Mitteln operieren darf. "Adäquat" heißt nur: auf der selben Ebene, aber nicht unter Aufgabe der eigenen rechtlichen Grundsätze. Das ist die Befürchtung, und das ist nicht irgendeine Befürchtung.

Noch etwas nicht Unwesentliches: Bundesminister Schlögl hat gemeint, es werde der Setzung neuer Rechtsakte bedürfen. (Bundesminister Mag. Schlögl spricht mit der bei der Regierungsbank stehenden Abg. Madl.) Herr Bundesminister Schlögl ist jetzt leider anderweitig beschäftigt. Ich würde Sie wirklich bitten, Herr Bundesminister, Ihre Aufmerksamkeit kurz vom sicher sehr wichtigen Gespräch mit Kollegin Madl ab- und mir zuzuwenden, denn von Ihrem Sektionschef werden Sie das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, nicht hören. Dieser wird als Mitglied des


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite