Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 236

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der Nationalrat damals gefaßt hat, ernst nimmt, dann war eine weitere Voraussetzung, daß für den Fall, daß es gleiche Qualifikationen gibt, die Frauen in der Wahl zu bevorzugen sind.

Von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin war aber weder in einem Beschluß noch sonstwo die Rede. Dieses Argument stimmt also nicht! Es bleibt also – wie schon meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben – der schale Geschmack, daß es um etwas ganz anderes gegangen ist.

Ich will jetzt gar nicht darüber ausholen, worum es gegangen ist. Es ist auch legitim, wenn die Mehrheit in diesem Hause die Entscheidung trifft. Es ist nur ärgerlich, es ist betrüblich, wenn die Mehrheit in diesem Haus gegen einen Beschluß entscheidet, den ebenfalls diese Mehrheit im Haus vor einiger Zeit gefaßt hat, weil es Ihnen aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in den Kram paßt und Sie sich daher an Ihre eigenen Beschlüsse nicht mehr erinnern können und über diese Beschlüsse hinweggehen.

Das macht vor allem auch unter dem Aspekt betroffen, daß wir gerade jetzt im Zuge des Frauen-Volksbegehrens wieder sehr oft, ausführlich und lange über die Verankerung der tatsächlichen Gleichberechtigung in der Bundesverfassung diskutiert und festgestellt haben, daß es nicht genügt, daß der formale Gleichbehandlungsgrundsatz verankert ist. Da das ins materielle Gesetz keinen Eingang finden kann, sind Abgeordnete dieses Hauses, zumindest teilweise, der Meinung, daß eine stärkere Verankerung vorgenommen werden muß, damit genau das nicht vorkommen kann, was sich jetzt ereignen wird, daß man sich nämlich über den Grundsatz der tatsächlichen Gleichbehandlung und Gleichberechtigung einfach mit Mehrheit hinwegsetzt!

Zum Schluß möchte ich noch etwas sagen – und auch das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt –: Nicht nur, daß Sie Ihren eigenen Beschluß ignorieren, nicht nur, daß Sie Frauen doch nicht die gleiche Qualifikation zuordnen, denn sonst müßten und würden Sie sie aus den Kandidatinnen und nicht aus den Kandidaten auswählen: Vielmehr stimmt es auch wirklich ärgerlich, wenn jetzt bereits in den Zeitungen zu lesen ist, wie entschieden wurde. So machen Sie eine geheime Abstimmung zur Farce, Sie machen ein Hearing, das vorher stattgefunden hat, zur Farce, und Sie machen einen parlamentarischen Prozeß zur Farce, wenn Sie Journalisten offensichtlich eine dermaßen verbindliche Auskunft Stunden vor der Abstimmung geben und eine derart verbindliche Aussage treffen, daß Journalisten, wie bereits von mehreren Zeitungen gesagt wurde, das als "unwiderruflich" und nicht als "wahrscheinlich" bezeichnen und in Druck geben können! In den Zeitungen steht eindeutig: Der Nationalrat hat abgestimmt und hat in einer geheimen Abstimmung entschieden.

Das stimmt mich am meisten bedenklich, denn das erinnert mich an einen Wahlvorgang, der einige Jahre zurückliegt. Damals ging es um markierte Stimmzettel, jetzt geht es um Garantieerklärungen betreffend das Wahlverhalten von an und für sich frei gewählten Mandataren. – Ich bin der Meinung, daß sich dieses Parlament das nicht verdient hat! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

0.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Herr Abgeordneter Mag. Barmüller zu Wort gemeldet. Die restliche Redezeit für Sie, Herr Abgeordneter, beträgt 3 Minuten. – Bitte.

0.21

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einen Aspekt in die Diskussion einbringen.

Sie wissen, daß in diesem Hause sehr massiv darüber diskutiert wurde, daß es auch im Bereich des Verfassungsgerichtshofes eine Dissenting opinion geben soll. Es wird wesentlich sein, daß, wenn dieses Instrument kommt – das ist bereits zugesagt worden, es ist nur noch nicht umgesetzt –, im Rahmen des Verfassungsgerichtshofes auch Frauen eine entsprechende Stellung haben, damit sie nicht nur vereinzelt Meinungen kundtun können, sondern daß man dann auch sehen kann, wie weit es mit der Gleichbehandlung in Österreich bei den einzelnen Entscheidungen ernst gemeint ist oder nicht. Es ist daher notwendig, den Anteil der Frauen dort zu verstär


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