Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 172

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Meine Damen und Herren! Das ist Diskriminierung ersten Ranges! Ich möchte Sie daran erinnern, daß wir voriges Jahr im Sommer hier in diesem Haus alle gemeinsam ein Gesetz beschlossen haben, das eine Diskriminierung behinderter Menschen verhindern soll. – Was aber heute hier beschlossen wird, ebenso Ihre Ausführungen hier, gehen genau in die entgegengesetzte Richtung: Sie sind nicht bereit, behinderten Menschen im Schulsystem Bildung in dem Ausmaß zukommen zu lassen, wie sie nichtbehinderte Menschen selbstverständlich und mit allen Rechten für sich in Anspruch nehmen!

Frau Ministerin! Sie haben einfach nur Angst, daß behinderte Kinder, wenn sie länger als neun Jahre lang die Schule besuchen dürfen, unter Umständen einen Hauptschulabschluß erlangen könnten und sich vielleicht dann auch noch weiterbilden möchten, zum Beispiel eine höhere Schule besuchen wollen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer. ) Das wollen Sie verhindern, und daher versuchen Sie, alle nur möglichen Schikanen in den Weg zu legen, um behinderten Kindern das Recht auf Schulbesuch und Bildung so weit wie möglich zu vermiesen, um nicht Gefahr zu laufen, daß behinderte Menschen ihr Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch nehmen!

Meine Damen und Herren! Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei, in denen behinderte Menschen Bittsteller sein mußten. Die Zeiten sind vorbei, in denen sich behinderte Menschen nach einem miserablen Ausbildungsweg in Sonderanstalten, in geschützten Werkstätten für Arbeit zum Nulltarif oder in Beschäftigungstherapien abschieben lassen mußten. Diese Zeiten sind vorbei! Behinderte Menschen haben ein Recht auf Bildung, und behinderte Menschen werden dieses Recht auf Bildung in Anspruch nehmen! Dessen können Sie sicher sein!

Herr Abgeordneter Antoni – er ist auch nicht mehr da (Abg. Fuchs: Er ist da!)  –, Sie haben gesagt: Wir brauchen Studien, um zu wissen, wie sich das rechnet und bewährt hat et cetera. Haben Sie vergessen, daß es bereits ausreichend Literatur gibt, die schwarz auf weiß belegt, wie sinnvoll Integration ist und wie diese auch den Schulerfolg anderer, nichtbehinderter Kinder positiv beeinflußt? Haben Sie vergessen, daß etwa Fragner, Feuser, Feyrer, Schönwieser hochwertige Literatur zum Thema Sonderpädagogik verfaßt und hochwertige Studien erstellt haben? Aber diese Studien, die für Integration sprechen, weil es einfach berechtigt ist, pro Integration zu sprechen, wollen Sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen!

Wenn Sie sagen, in sehr vielen Schulen funktioniert die Integration noch nicht, so gebe ich Ihnen selbstverständlich recht, aber: Das ist bitte Ihr ureigenes Verschulden! Denn Sie haben die Rahmenbedingungen nicht geschaffen, die Kinder mit erhöhtem Förderbedarf brauchen. Sie sind dafür verantwortlich, daß die Ausstattung mit Hilfsmitteln und die Beschäftigung von Zusatzlehrern und Stützlehrern an den Schulen noch immer nicht sichergestellt ist. Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, tragen die Verantwortung dafür, daß Schulintegration in Österreich noch nicht in dem Maße greifen kann, wie wir uns das seit Jahren wünschen! Sie sind es auch, die immer noch versuchen, das Recht von Behinderten auf Gleichberechtigung, Gleichstellung und Selbstbestimmung zu verhindern. Tun Sie nicht so, als ob das Sache der Lehrer wäre, die sich weigern würden! Sie haben den Lehrern noch niemals Unterstützung angeboten, damit sie sich mit Kindern mit erhöhtem Förderbedarf auseinandersetzen können!

Solange Sie nicht bereit sind, die Rahmenbedingungen für Integration in den Schulen zu erfüllen, solange haben behinderte Menschen in Österreich nur sehr, sehr wenig Chancen, wirklich eine Ausbildung zu absolvieren. Sie sind gefordert, die Rahmenbedingungen zu erfüllen und das Recht auf Selbstbestimmung behinderten Menschen zu ermöglichen!

Wir haben im Juli letzten Jahres in diesem Haus beschlossen, niemanden mehr zu diskriminieren. Der Bund, auf dessen Ebene dieses Gesetz beschlossen wurde, müßte eigentlich Vorbildwirkung haben und diese Diskriminierungen sofort abstellen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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