Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 89

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Aufweichung des Arbeitsrechtes und des ArbeitnehmerInnenschutzes – Benachteiligung von Frauen im Arbeitsmarkt

Weitgehend unbemerkt ist der Umstand, daß die starke Einbindung der neuen Arbeitsformen in das Dienstnehmer-Regime ein Loch im Arbeitsrecht aufgerissen hat. Angesichts der teils überbordenden und kostenintensiven Bestimmungen im Arbeitsrecht werden in Zukunft viele Arbeitgeber naturgemäß bemüht sein, vermehrt Personen auf Basis freier Dienstverträge zu beschäftigen.

Auf seiten der ArbeitnehmerInnen bedeutet dies jedoch einen weitgehenden Verzicht auf nahezu alle arbeitsrechtlichen Rahmenbestimmungen, wie Urlaubs- und Abfertigungsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz, Arbeitszeitbestimmungen, die Mitwirkungsmöglichkeiten nach dem Arbeitsverfassungsrecht und vieles andere mehr. Eine solche Entwicklung benachteiligt insbesondere Frauen, die mangels ausreichender Kinderbetreuungseinrichtungen nach wie vor gezwungen sind, überproportional in freien, atypischen oder geringfügigen Erwerbsverhältnissen zu stehen.

Im gewohnten Streben der Sozialpartner und insbesondere der ArbeitnehmerInnenvertretung, teilweise überholte Arbeitnehmerrechte ausschließlich für die im System befindlichen Vollerwerbstätigen zu verteidigen, bleibt die immer größere Gruppe der atypisch Beschäftigten vertretungslos. Anstelle einer notwendigen Überprüfung des Arbeitsrechtes und seiner Schutzbestimmungen wird seitens der Regierung aufgrund des Drucks der Interessenvertretungen offensichtlich lieber eine schleichende Aushebelung des Arbeitsrechts insgesamt in Kauf genommen. Der Preis ist die Spaltung der Arbeitswelt in zwei Kategorien.

C) Dringlicher Handlungsbedarf

Fast vier Wochen nach Ende der Anmeldefrist haben sich angeblich erst 6 000 Personen als neue Selbständige angemeldet. Angesichts geschätzter 250 000 bis 300 000 Erwerbstätiger, die unter das Regime des Freien Dienstvertrages oder der Neuen Selbständigkeit fallen sollen, ist diese Divergenz zwischen Schätzung und Wirklichkeit ein Alarmsignal. Dessen ungeachtet sind die MitarbeiterInnen in den Versicherungsanstalten bereits jetzt administrativ überfordert, zumal ein großer Teil der Bescheide aus der alten Werkvertragsregelung noch gar nicht erledigt ist. Viele Dienstgeber haben diese Anmeldung bislang offenbar deshalb unterlassen, weil von ihnen und den Behörden nicht geklärt werden konnte, welche ihrer nichtangestellten MitarbeiterInnen nun tatsächlich ,Freie Dienstnehmer‘ oder ,Neue Selbständige‘ sind.

Besonders augenfällig ist die Säumigkeit im Bereich des öffentlichen Dienstes und seiner nachgeordneten Dienststellen, wo Honorare (zum Beispiel aus dem Titel der Teilrechtsfähigkeit) bis heute nicht der Sozialversicherungspflicht unterworfen wurden. Erinnert sei auch an die Anfragenbeantwortungen aller Bundesministerien aus dem Vorjahr, aus der hervorging, daß von 536 angegebenen Werk- und Freien Dienstverträgen in sämtlichen Ministerien tatsächlich nur 289 Meldungen bei den Gebietskrankenkassen eingelangt waren. Das Arbeitsmarktservice hatte sich bereits im November 1996 der Werkvertragsproblematik entledigt, indem per interner Richtlinie verfügt worden war, keine Werkverträge mehr an Privatpersonen zu vergeben (,Der Standard‘, 14.11.1996).

Auskünften des Sozialministeriums ist zu entnehmen, daß an eine neuerliche Novellierung des Gesetzes vor dem Sommer gedacht sei. Gemeinsam mit einem großen Teil der Bevölkerung befürchten die Abgeordneten des Liberalen Forums, daß ein solcher Sanierungsversuch erneut perspektivenlos, nicht verfassungskonform und unbefriedigend für alle Betroffenen ausfallen wird. Aus diesem Grund bedarf es endlich Handlungen, die das Vertrauen der Wirtschaft und der arbeitenden Menschen in eine verständliche, finanziell tragbare und auf Dauer haltbare Lösung wiederherstellen.

Mit dem dringenden Appell, diesem bereits zwei Jahre währenden Dilemma ein Ende zu setzen, stellen die unterzeichneten Abgeordneten daher den nachfolgenden


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