Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 96

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mehr Umgehungsmöglichkeiten gesucht wurden, die Flucht aus der Sozialversicherungspflicht Gegenstand von vielen Bemühungen war und daß wirtschaftlich schwächere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer mehr in sozialversicherungsfreie oder zumindest sozialversicherungsmäßig schlecht geschützte Bereiche gedrängt wurden.

Die vorliegenden Regelungen sollen diese Umgehungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung des bestehenden Sozialversicherungsrechtes eindämmen, und ich glaube, daß wir die geeigneten Schritte gesetzt haben, um dieses Ziel zu erreichen. Und wenn das Ziel die Erreichung von Gleichbehandlung, Fairneß und Solidarität innerhalb einer Gesellschaft ist, dann muß eben die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Solidargemeinschaft der Sozialversicherung erfolgen.

Es ist verfehlt, nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Bauern und Bäuerinnen und Gewerbetreibende in die soziale Verantwortung und in den sozialen Schutz einzubeziehen und andere Erwerbsgruppen sowohl aus der Verantwortung als auch aus dem sozialen Schutz auszuklammern. Und wenn man dieses Ziel ernst nimmt, dann muß man jene Schritte setzen, die die Mehrheit dieses Hohen Hauses im vergangen Jahr gesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich darf darauf verweisen, daß die jetzt bestehende Regelung zur Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung auf einer sehr profunden, wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf Expertenebene, aber auch auf politischer Ebene basiert. Wir haben renommierte Professoren wie Herrn Professor Tomandl, Herrn Professor Mazal, Herrn Professor Grillenberger und Herrn Professor Mosler gebeten, ihr Wissen und ihre Erfahrung in den Dienst dieses politischen Zieles zu stellen. In den Expertengruppen waren Wirtschaftstreuhänder, Vertreter der Sozialversicherung sowie auch unsere Sozialpartner-Experten, und diese haben gemeinsam die Grundlagen für die politische Entscheidung konzipiert und aufgearbeitet und letztlich mit uns den Inhalt abgestimmt.

Sehr geschätzte Damen und Herren des Liberalen Forums! Es waren – wie gesagt – auch Wirtschaftstreuhänder darunter, von denen ich vermute, daß diese auch Ihre Überlegungen immer wieder miteinbeziehen, zu denen Sie Kontakte haben und deren Expertenwissen auch Sie abfragen. Daher wundert mich Ihre massive Kritik an der jetzigen Regelung doch ein bißchen, da wir gerade mit diesen Experten sehr enge Kontakte hatten! (Abg. Böhacker: Sie waren mit allem einverstanden!) Die Experten haben sich zu dem Ergebnis bekannt, das mit den Experten in den Arbeitsgruppen ermittelt wurde und Gegenstand der politischen Beschlußfassung in diesem Haus geworden ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Mit der Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung beschreiten wir auch im internationalen Vergleich absolutes Neuland. Wir haben bisher Erfahrungen mit dem – wie ich sagen möchte – praxiserprobten Sozialversicherungsrecht, aber noch keine umfassenden Erfahrungen mit der Miteinbeziehung neuer Bereiche in die Sozialversicherungsrechte und Sozialversicherungspflichten. Wir können die alten Erfahrungen nicht nahtlos auf die neuen Situationen übertragen. Ich sage noch einmal: Wenn man Neuland betritt, dann lernt man immer wieder dazu, und bei den einzelnen Schritten hat man entsprechende Evaluierungen in bestimmten Zeitabläufen vorzunehmen. (Abg. Dr. Kier: Aber nicht auf Kosten der Menschen!)

Ich darf auch darauf verweisen, daß unser Sozialsystem eine enge Verknüpfung zwischen dem Arbeitsrecht und dem Sozialversicherungsrecht aufweist und natürlich schon aus diesem Grund eine sehr klare und sorgfältige Differenzierung zwischen Dienstnehmern, freien Dienstverträgen und den sogenannten Neuen Selbständigen vorzunehmen ist. Gerade die Regelung betreffend die Freien Dienstverträge soll verhindern, daß Unternehmen Dienstnehmer relativ leicht in eine neue Selbständigkeit drängen und damit aus dem Arbeitnehmerstatus hinausdrängen wollen. Das zu verhindern war ein besonderes Anliegen, das die Damen und Herren des Hohen Hauses in ihrem Entschließungsantrag äußerten, es war aber auch ein wesentliches Anliegen der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer.


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