Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 97

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Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch zu Ihren Vorwürfen betreffend Verfassungswidrigkeit einige Bemerkungen machen.

Die Festlegung von unterschiedlichen Grenzen, die unterschiedliche Sachverhalte regeln, ist verfassungsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern verfassungsrechtlich auch geboten. Ich meine, es ist dies ein wichtiger Grundsatz, den man festhalten muß. In diesem Zusammenhang ist keine Verfassungswidrigkeit festzustellen. Die neuen Regelungen orientieren sich am Einkommensteuerrecht und am Grundsatz der Mehrfachversicherung. Eine Gleichbehandlung von Erwerbstätigen, die zusätzlich zu einer bereits bestehenden Sozialversicherungspflicht ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, und solchen, die ausschließlich ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit beziehen, wäre aufgrund der derzeit geltenden unterschiedlichen steuerrechtlichen Konsequenzen verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Das ist auch ein wichtiger Aspekt der Argumentation, und ich nehme an, daß die Damen und Herren, die sich noch zu Wort melden werden, darauf Bezug nehmen werden.

Sehr geschätzte Damen und Herren des Liberalen Forums! Wenn Sie auf die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Beitragssätze und insbesondere auf die niedrigen Beitragssätze der Gewerbetreibenden hinweisen, dann stellt sich die Frage: Was ist daraus zu schließen, wenn jemand diese unterschiedlichen Sätze ablehnt? – Konsequenterweise die Forderung nach Anhebung des Beitragssatzes auch für diese Berufsgruppe. Dabei wird meines Erachtens aber ganz übersehen, daß aus Gründen der sachlich gerechtfertigten Differenzierung im Selbständigenbereich andere, spezifische Regelungen gelten, wie zum Beispiel die Mindestbeitragsgrundlage, die es im Unselbständigenbereich als solche nicht gibt.

Sehr geschätzte Damen und Herren des Liberalen Forums! Zur Frage der Versicherungszeiten: Ein Mindestausmaß von Versicherungszeiten als grundlegende Voraussetzung für einen Pensionsanspruch ist eine unbedingte Notwendigkeit in jedem Pensionsversicherungssystem. Dies ist bereits seit langem Bestandteil des Sozialversicherungsrechtes und muß selbstverständlich alle Berufsgruppen umfassen, wenn man Fairneß, Gleichberechtigung, Gleichbehandlung und Ausgewogenheit anstrebt.

Die Unterschiede zwischen den Alterssicherungssystemen im öffentlichen Dienst und der Pensionsversicherung in der Privatwirtschaft sind durch die Pensionsreform 1997 langfristig wesentlich verringert worden. Ich glaube, daß wir im vergangenen Jahr wesentliche Schritte in Richtung einer Harmonisierung gesetzt haben. Dennoch gibt es nach wie vor Unterschiede zwischen den Systemen, und daher ist es nur schwer möglich, beim Vorliegen von mehreren Beschäftigungsverhältnissen von einer völligen Einheit des Anspruches auszugehen. Ich bin der Ansicht, daß man von gewachsenen Systemen, wenn man sich zu diesen vom Grundsatz her bekennt, nicht erwarten kann, daß sie von einem Tag auf den anderen beziehungsweise von einem Jahr auf das andere in den Grundzügen geändert werden. Vertrauensschutz ist ein elementares Element unseres Sozialversicherungsrechtes.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin mir aber dessen bewußt, daß der Weg, den wir im vergangenen Jahr eingeschlagen haben, auch in weiterer Folge fortzusetzen ist und daß es wichtig und notwendig sein wird, weitere Überlegungen zur Frage weitergehender Harmonisierungsschritte anzustellen.

Ich möchte auch eine Bemerkung zur Frage des pauschalierten Dienstgeberbeitrages machen: Die Problematik des pauschalierten Dienstgeberbeitrages für geringfügig Beschäftigte wurde vom Verfassungsdienst bereits in einem Vorstadium des Entwurfes geprüft, und ich möchte betonen, daß der Verfassungsdienst sich in seiner Beurteilung an objektiven Kriterien orientiert hat und daß keine Beeinflussung in Stellungnahmen von irgendeiner Seite erfolgt ist. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Ich glaube, die Politik wäre falsch beraten, wenn sie eine derartige Beeinflussung versuchte. Denn es wäre der Verfassungsgerichtshof, der sich in der Regel an den gleichen Grundsätzen orientiert wie auch die Berater im Verfassungsdienst, der bei einer etwaigen Anfechtung in den einzelnen Fällen das letzte Wort sprechen würde.


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