Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 102

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Wir gehen nun in die Debatte ein. Die maximale Redezeit pro Redner beträgt 10 Minuten, pro Klub 25 Minuten.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Haselsteiner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.52

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Tatsächlich, Frau Bundesministerin, ist es so, daß wir glauben, daß soziale Sicherheit von Erwerbsarbeit entkoppelt werden soll, aber nicht durch Vermeidung von Sozialversicherungssystemen oder durch deren Ausgestaltung, sondern die Aussage ist, es soll und kann und wird in Zukunft unerheblich sein, was diese oder eine andere Bundesregierung macht, es wird keinen anderen Weg geben, als daß die soziale Sicherheit der Menschen in diesem Land von der Erwerbsarbeit entkoppelt wird. Wenn Sie das nicht verstanden haben und wenn Sie das nicht endlich einmal auch konsequent in all Ihre Überlegungen, die wir zum großen Teil ja auch anerkennen – wir kritisieren Sie ja nicht nur –, einfließen lassen, dann werden wir nicht zu einer gemeinsamen Sprache finden, und zwar, Frau Bundesministerin, deshalb nicht, weil wir glauben, daß Ihr System, Ihre Sozialbürokratie sich gegenüber der realen Welt und dem raschen Wandel in unserem Wirtschaftsleben blind stellt oder blind ist. Anders ist es ja nicht mehr erklärbar. Ich frage mich immer – auch in dieser Frage: Cui bono?

Es ist nach meinem Dafürhalten wirklich einmal zu hinterfragen, ob unsere Sozialgesetzgebung, die Sie immer als vorbildlich hinstellen, nicht zu einer Hydra geworden ist. Als ich noch Revisionsassistent war – leider Gottes ist das schon lange her, nämlich 30 Jahre –, waren die Sozialgesetze schon unlesbar, meine Damen und Herren! Ende der sechziger Jahre war das also schon der Fall. In der Zwischenzeit haben wir aber 184 Novellen über uns ergehen lassen, und die Materie ist überhaupt nicht mehr verständlich. Frau Bundesministerin! Ich bitte Sie, ich lade Sie ein, kommen Sie zu mir in die Bauholding nach Spittal an der Drau, es kann auch Wien sein, und dann trinken wir Kaffee mit den Mitarbeitern meines Lohnbüros. Dann sollen diese Ihnen in ihren Worten aus ihrer Praxis erzählen und sagen, was sie von Ihrem vorbildlichen Sozialversicherungssystem halten. Ich werde Ihnen aber dabei helfen, denn dort habe ich gewisse Hausrechte, und ich werde Sie daher nicht zu Schaden kommen lassen, nicht nur physisch nicht, das wäre ohnehin nicht der Fall, sondern auch anders nicht.

Aber das, Frau Bundesministerin, sollten Sie doch einmal einsehen. Wenn Sie dort hingehen, werden Sie sehen, dort herrscht tiefer Frust, weil es die Menschen nicht mehr nachvollziehen können, daß dieser Gesetzgeber – Gott sei Dank nur ein Teil von ihm – Regelungen verabschiedet, die nicht nur nicht lesbar sind, sie sind auch kaum mehr verständlich. Sie lassen einen Spielraum für Interpretation, der mit Recht verfassungsrechtliche Bedenken hervorruft. Wenn Sie, Frau Bundesministerin, sagen, das ist ja alles geprüft, und der Verfassungsdienst sagt, das ist alles unbedenklich, dann darf ich Sie auf einen Vortrag des Herrn Theodor Tomandl, eines nicht ganz unbekannten Mannes in dieser Frage, verweisen. Darin kommt mindestens sechsmal hinsichtlich dessen, was zurzeit Gesetz ist und was diese Bundesregierung und diese Mehrheit im Parlament beschlossen hat, der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit vor.

Frau Bundesministerin! So einfach ist das nicht, daß Sie sagen, da fahren wir drüber. Ich gebe zu, Sie haben zwei Jahre gewonnen, Sie haben drei Jahre gewonnen, und das ist ja auch das Ziel. Wir wissen doch, daß diese Novellen zur Sozialversicherung in erster Linie auch deshalb beschlossen wurden, damit wir Budgetziele erreichen, und nicht, weil wir eine Reform angehen wollten.

In Ihren eigenen Ausführungen haben Sie, Frau Bundesministerin, gesagt, daß die "bösen Unternehmer" eigentlich keine Vorteile haben und sich somit das Zahlen von Dienstgeberbeiträgen nicht ersparen sollen. Ja, ich stimme Ihnen zu. Ich kann mich erinnern, schon vor drei Jahren, als ich in dieses Hohe Haus eingezogen bin, habe ich meinen Klubkollegen und auch hier im Plenum immer wieder gesagt: Wenn wir unser Sozialversicherungssystem nicht dahin gehend ändern, daß es für den Dienstgeber egal ist, ob er Vollzeit, Teilzeit, Halbzeit, nebenberuflich,


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