Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 117

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Das ist ja genau diese vertrackte Moral! Da wird es offensichtlich, daß Sie das Problem nicht verstanden haben.

Und ich habe gedacht, ich lese nicht richtig, als ich die nächste Maßnahme gesehen habe, die Sie hier vorschlagen. Sie sagen, wir brauchen die Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme des Schmerzengeldanspruchs. – Dafür werden wir die psychische Betreuung nicht primär einrichten! Wenn sie eingerichtet wird, dann um diesen Menschen Hilfestellung zu gewähren, aber nicht dafür, um deren finanzielle Schadenersatzansprüche zu berechnen! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann reden Sie einmal mit Opfern!)

Und es kommt ja noch etwas dazu: Da sitzt der Abgeordnete Meischberger, in erster Instanz verurteilt, da sitzt Herr Abgeordneter Haider, der Datenhehlerei noch und nöcher betreibt und in dieser Sache offenbar nicht resozialisierbar ist, und, und, und. (Abg. Dr. Krüger: Sie sind ein Jurist dritter Klasse!) Da gibt es viele Beispiele, Herr Abgeordneter Krüger! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und dann kommen Sie mit Ihrer verschwitzten Moralbeflissenheit und wollen uns hier weismachen, man hätte dieses Problem nicht erkannt, das wahrlich existiert und bezüglich dessen all jene Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind, seit dem Jahr 1994 von Ihnen abgelehnt worden sind und von Ihnen keine Zustimmung erfahren haben. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Dr. Schmidt klatscht noch!)

Frau Abgeordnete! Herr Abgeordneter Haider hat vom Herrn Bundeskanzler verlangt, er möge doch endlich klar seine Solidarität mit den Kindesmißbrauchsopfern bekunden. Ich verlange vom Herrn Abgeordneten Haider und vom Herrn Abgeordneten Stadler, daß sie endlich ihre Solidarität mit den Opfern von Groër bekunden. Das wäre auch einmal von diesem Rednerpult aus notwendig, nicht nur Presseaussendungen auszuschicken, in denen Sie schreiben, daß die Medien alle verrückt geworden sind (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen), daß die Medien diejenigen sind, die eine moralisch entfesselte Debatte führen. Das ist doch Ihre Doppelmoral, die Sie in diesen Dingen an den Tag legen!

Ich sage Ihnen noch etwas, meine Damen und Herren, zurückkehrend zu diesem angeblichen Anlaß der heutigen Dringlichen Anfrage, den Sie gewählt haben: Daß der Herr Mühl im Burgtheater aufgetreten ist, ist auch nach Ansicht der Liberalen eine Entscheidung des Direktors. Und wir hätten uns dagegen verwehrt, wenn der Herr Bundeskanzler einen Eingriff in den Spielplan gemacht hätte, wie es Ihr Europaabgeordneter Sichrovsky verlangt hat. Wir wollen weder mehr Wahrheit in den Redaktionen noch eine politisch bestimmte Kunst von innen! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen.)

Sie werden mir nicht vorwerfen können, daß die Liberalen nicht wüßten, daß die Freiheit der Kunst als Grundrecht natürlich in einem vernetzten Zusammenhang mit allen anderen Grundrechten steht. Und wir lehnen es vehement ab, daß man unter dem Deckmantel der Freiheit der Kunst versucht, Verletzungen der Menschenwürde zu verharmlosen oder gar gutzuheißen. Das werden Sie nicht von uns hören. Sie werden es uns vielleicht unterstellen, aber ich sage das zur Klarstellung hier von diesem Pult aus.

Was den Mühl-Auftritt im Burgtheater angeht, der Sie dazu veranlaßt hat, diese Debatte zu führen, sage ich Ihnen: So, wie Sie sie führen, verstellt es die Sicht auf das eigentliche Problem. 80 Prozent aller Fälle des Kindesmißbrauchs, die bekannt werden, geschehen im Familienkreis. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht einmal das stimmt, was du sagst! Nicht einmal die Zahlen stimmen!) Und da muß man, wie es auch schon von der Regierungsbank aus gesagt worden ist, Maßnahmen und Möglichkeiten finden, daß die Mauer des Schweigens, die noch immer davor steht, endlich durchbrochen werden kann, Frau Abgeordnete (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ) – das ist das Wesentliche –, und zwar ohne ein Spitzelwesen einzuführen, wie es Ihnen im Zusammenhang mit Rasterfahndung und Lauschangriff nicht schnell genug kommen konnte.


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