Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 18

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

für einen Atomausstieg zulassen. Zu befürchten ist derzeit allerdings, daß die österreichische Position sich inhaltlich auf die Frage der Schaffung einheitlicher, ,akzeptabler‘ Sicherheitsstandards von (Ost-)Reaktoren verlagert. Aus normtechnischen Gründen würde sich daraus eine Marathondebatte ergeben, die zeitlich über den Abschluß der Osterweiterung hinausginge. Damit wäre die Diskussion von Ausstiegskonzepten in den mehrjährigen Beitrittsverhandlungen kein Thema mehr.

Im Atompaket der Regierung wurde für Ende März 1998 die Erstellung eines Atomverfassungsgesetzes in Aussicht gestellt. Mit Ausnahme der Bereiche ,Verbot für Lagerung ausländischen Atommülls‘ und ,Hebung des Atomsperrgesetzes in Verfassungsrang‘ sind jedoch sogar hier wesentliche Punkte umstritten und ein Indiz für den sich auflösenden Anti-Atom-Konsens. Bereich Atomtransit: Nach vollmundigen Ankündigungen im Sommer 1997, daß es zu einem völligen Atom(müll)-Transitverbot kommen soll, werden jetzt völkerrechtliche Bedenken ins Treffen geführt. Seitens der ÖVP wurde ursprünglich vorgeschlagen, auch gleich ein Verbot der Errichtung von Kernfusionsreaktoren in Verfassungsrang mitaufzunehmen – dieser Punkt fand sich allerdings im Regierungspaket zum Atomverfassungsgesetz nicht mehr wieder.

Die Nuklearstrategie von WEU und NATO und das Atomverfassungsgesetz:

Im Zusammenhang mit den Verhandlungen eines österreichischen Atomverfassungsgesetzes wurde auch die Frage der zukünftigen Haltung zu Atomwaffen ausgeklammert. Es besteht die begründete Vermutung, daß diese Vorgangsweise dazu dient, den bewährten Weg der immerwährenden Neutralität Österreichs zu verlassen, sich den westlichen Militärblöcken immer weiter anzunähern und bei einem Vollbeitritt sich auch der Nuklearstrategie der NATO oder WEU anzuschließen. Gerade in Beitrittsverhandlungen möchten offensichtlich jene Teile der Bundesregierung, die eine NATO- oder WEU-Mitgliedschaft anstreben, die Frage der Haltung der Bundesregierung zur Nuklearkomponente der NATO nicht präjudizieren. Dabei ist zu befürchten, daß nach einem Vollbeitritt Nuklearwaffenbasen oder Flugplätze für luftgestützte Atomwaffen errichtet werden. Wenn Infrastruktur für Atomwaffen in Österreich eingerichtet werden soll, so kommt dafür vor allem einer der größten Truppenübungsplätze in Europa, nämlich Allentsteig in Frage. Jedenfalls werden die Verhandlungen über das Atomverfassungsgesetz zeigen, ob die Bundesregierung bereit sein wird, die Atomfreiheit auch als AtomWAFFENfreiheit anzuerkennen oder nicht. Keine klare verfassungsrechtliche Regelung der Atomwaffenfreiheit Österreichs wäre als völliges Versagen der österreichischen Atompolitik mit unabsehbaren Langzeitfolgen zu qualifizieren.

Angesichts der Diskussion um die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik erhält das atavistischste Instrument der Massenvernichtung – die Atomwaffe – plötzlich Aktualität für die österreichische Innenpolitik. Da die Politik der Abschreckung zwischen Supermächten beendet ist, erscheint diese Entwicklung der Erweiterung nuklearstrategischer Maßnahmen besonders grotesk. Ein Beitritt zu den Militärblöcken NATO oder WEU brächte der Republik nicht nur die mit dem absurd beschönigenden Begriff bezeichnete ,Nukleargarantie‘, sondern auch die Verpflichtung, in Krisen- oder Kriegsfällen einer Durchfuhr oder der Lagerung von Atomwaffen oder nuklearem Material zuzustimmen und in Friedenszeiten die Einrichtung von Infrastruktur für die Stationierung von Atomwaffen zuzulassen. Ähnliche Regelungen hat die NATO auch mit ihrem Mitglied Dänemark – das bloß in Friedenszeiten eine Ausnahmeregelung betreffend Atombewaffnung besitzt – und den neuen Mitgliedern Ungarn, Tschechische Republik und Polen getroffen.

Auch Bundeskanzler Klima hat bereits in einer Anfragebeanwortung (2372/AB, XX. GP) am 7. Juli 1997 festgehalten: ,Es muß zur Kenntnis genommen werden, daß sich die NATO die grundsätzliche Möglichkeit vorbehält, in Krisenzeiten Truppen oder Nuklearwaffen auf dem Territorium von Mitgliedsstaaten zu stationieren.‘

Die Frage der Nuklearisierung der österreichischen Sicherheitspolitik käme auch im Falle eines WEU-Beitrittes auf die Tagesordnung. Die Petersberger Erklärung der WEU von 1992 fordert von neuen Mitgliedstaaten, daß sie sich verpflichten, alle Erklärungen seit 1984 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Damit wäre auch die Haager Plattform von 1987 (The Hague Platform,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite