Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 74

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

kommensverteilung ist einigermaßen gesichert. Nur: das Gegenteil ist der Fall. Die Kapitaleinkommen akkumulieren sich selbstverständlich durch die Zinsfalle und den Zinseszinseffekt in einer exponentiellen Gleichung in immer größeren einzelnen Akkumulationen. Das heißt klar und deutlich ausgedrückt, daß wir heute das System des Kapitalismus, das sein Gegenpart verloren hat, hinterfragen müssen, daß wir fragen müssen: Welche zumindest europäischen oder weltweiten Spielregeln müssen wir finden, damit wir diese Wucherung insbesondere des Finanzkapitals sinnvoll in den Griff bekommen?

Wir beschließen heute, daß unsere Nationalbank im Fall der Fälle eine zusätzliche Kreditlinie dem Internationalen Währungsfonds zur Verfügung stellt, wenn der Internationale Währungsfonds diese braucht, um eine neue Finanzkrise – nach Mexiko, nach Südostasien – wieder abzufedern. Hier ist das Dilemma, hier ist das Spannungsfeld. Es sind nicht die "nationalen Birnen" und die "globalen Äpfel", sondern es ist ein ganz konkretes Problem, daß dieses explodierende Finanzsystem immer größere Luftblasen erzeugt und, wenn diese Luftblasen platzen, die internationale Finanzgemeinschaft in Geiselhaft genommen ist, diese Luftblasen abzufedern, weil sonst das gesamte finanzwirtschaftliche System dieser Erde in Gefahr gerät.

Herr Bundesfinanzminister! Wir können also nicht so weitertun und eine Sicherungstranche nach der anderen beschließen, sondern wir werden wohl – zumindest einmal in Österreich, aber dann in der Europäischen Union und darüber hinaus – in eine echte Diskussion eintreten müssen, wie wir denn mit den internationalen Finanzmärkten umgehen.

Noch ein klassisches Gegenbeispiel: Es ist heute vor allem in den Klein- und Mittelbetrieben um vieles interessanter, sein Geld dem Herrn Finanzminister zu borgen, auch wenn er nur 5,5 Prozent für seine Bundesanleihen zahlt, dort die KESt mit 25 Prozent zu lukrieren, als selbst in die Sachanlage zu gehen. In großen Aktiengesellschaften, die über sehr gute Umsatz- und Kapitalrenditen verfügen, spielt sich heute die Rendite in der Dividende auf das eingesetzte Kapital bei 1 bis 2 Prozent ab. Der gesamte Rest spielt sich über die Kurssteigerungen ab.

Ja glaubt wirklich jemand von Ihnen, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, daß die amerikanische Wirtschaft von 1985 – Dow-Jones 2000 – auf 1997 – Dow-Jones 8500 und weiter steigende Tendenz – über viereinhalbmal mehr wert geworden ist? Sehen Sie nicht, daß zwischen den Finanzströmen und der Finanzspekulation ein Zusammenhang besteht? Und bei dieser Finanzspekulation tut die Firma Siemens mit, genauso wie die Bank Austria, genauso wie die Deutsche Bank, genauso wie andere große Industriebetriebe, die heute wesentliche Teile ihres Ertrages, den sie als Dividende ausschütten, nicht in ihrer Produktion erwirtschaften, nicht im Anlagevermögen erwirtschaften, sondern im Umlaufvermögen.

Meine Damen und Herren! Hier spielen sich weltweit Dinge ab, die wir in Österreich ernsthaft zu diskutieren beginnen sollten – noch hat es keine Diskussion darüber gegeben –, wenn wir auch heute noch dazu verhalten sind, diese internationalen Organisationen zu stärken, um einen weltweiten Finanzcrash zu verhindern. Ich glaube daher, daß es klug wäre, in Form einer Enquete im Parlament zumindest einmal als nationaler erster Schritt über die Finanzmärkte nachzudenken zu beginnen. Und es ist sicherlich Aufgabe des Herrn Finanzministers, im ECOFIN-Rat dieses Thema zur Sprache zu bringen, wenn nicht hoffentlich schon öfter darüber gesprochen wurde, um auch von österreichischer Seite eine klare Meinung dazu einzubringen. Denn was heute durch weitere Kreditlinien für den Internationalen Währungsfonds für den Krisenfall vorgenommen wird, heißt nicht mehr und nicht weniger, als die potentiellen Verluste derer, die vorher 100, 500 oder 1000 Prozent Profit gemacht haben, jetzt über internationale Gelder abzufedern. Das ist der Punkt!

Wir sind heute in der Geiselhaft, es tun zu müssen, um das Finanzsystem abzusichern. Aber wir sollten uns überlegen, ob wir nicht den Kapitalverkehr insgesamt einer anderen Besteuerung unterziehen. Da meine ich ganz konkret das Finanzkapital und nicht das Sachkapital, Herr Finanzminister. Haben wir in Österreich über die Tobin-Tax, die wir nicht national einführen können, diskutiert? Wir können nur international im Rahmen der World Trade Organisation, im Rahmen der OECD, im Rahmen von UNO-Organisationen darüber diskutieren. Aber es kann doch nicht sein, daß heute die Steuerbelastung auf Arbeit immer größer wird, die Steuerbe


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite