Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 116

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nehmen. Selbstverständlich ist der Verfassungsdienst permanent eingeschaltet. Selbstverständlich gibt es in dieser Angelegenheit eine permanente Information des Parlaments. Es werden nach jeder Verhandlungsrunde Berichte über den Verhandlungsstand an die Parlamentsdirektion verschickt. (Abg. Mag. Schweitzer: Was denn? Wo denn? – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Der Vertragsentwurf liegt im Bundeskanzleramt und im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Einsicht auf. Selbstverständlich wird nach fertiger Aushandlung des gesamten Vertrages auch das Parlament damit befaßt werden.

Ich darf nun auf den Inhalt des Multilateral Agreement on Investment kurz zu sprechen kommen. Das Motiv für die Aufnahme von Verhandlungen zur Erarbeitung eines derartigen Abkommens liegt in der Bedeutung der grenzüberschreitenden Investitionen für die Weltwirtschaft, die in den letzten Jahren signifikant zugenommen haben. Das Volumen ausländischer Direktinvestitionen stieg von jährlich rund 25 Milliarden US-Dollar im Jahre 1973 auf jährlich rund 350 Milliarden US-Dollar im Jahre 1996 und erreichte damit eine höhere Zuwachsrate als jene des Welthandels in derselben Periode.

Im Gegensatz zu reinen Handelsbeziehungen haben Direktinvestitionen den Vorteil, daß sie in den jeweiligen Ansiedlungsländern Arbeitsplätze schaffen. Das gilt auch für Österreich. In Österreich haben die Investitionen internationaler Konzerne zahlreiche hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und zu einem beträchtlichen Technologietransfer in unser Land beigetragen. Die Befürchtung, die Standards für Umwelt, Arbeits- und Konsumentenschutz würden durch Investitionen ausländischer Unternehmen beeinträchtigt werden, hat sich in Österreich nicht bewahrheitet. Umgekehrt investieren auch immer mehr österreichische Unternehmen im Ausland. Diese haben ein legitimes Interesse daran, für ihre Investitionen kalkulierbare und stabile Rahmenbedingungen vorzufinden, welche Chancengleichheit mit lokalen Mitbewerbern und Schutz vor Enteignung mit sich bringen.

Bisher bilden rund 1 700 bilaterale Investitionsschutzabkommen das Rückgrat des internationalen Investitionsregimes. Allerdings trägt diese große Anzahl von Abkommen – jährlich kommen neue hinzu – nicht gerade zur Übersichtlichkeit im Investitionsbereich bei. Daneben enthalten auch diverse multilaterale Abkommen Investitionsregeln, die alles andere als einheitlich sind und entweder nur für einzelne Regionen oder für bestimmte Wirtschaftssektoren gelten. Die Schaffung besserer Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Investitionen auf multilateraler Ebene – das Hauptziel dieses Abkommens – wäre daher eine weitere wesentliche Voraussetzung zur Erhöhung des weltweiten Wohlstandes.

Ich habe aber auch großes Verständnis für die Sorge, die ihrer heutigen Dringlichen Anfrage zugrunde liegt. Auch ich bin der Auffassung, daß es nicht das Ziel demokratischer Staaten sein kann, Systeme zu schaffen, die ausschließlich an der Profitmaximierung einiger weniger Konzerne orientiert sind. Es bleibt die Aufgabe der Regierungen, den sozialen Zusammenhalt zu sichern und die soziale Gerechtigkeit durchzusetzen, gerade in einer Welt, die zunehmend von Globalisierung gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich allerdings der Ansicht, daß dazu aktives Handeln auf internationaler Ebene notwendig ist.

Multilaterale Abkommen wie das MAI oder die Abkommen im Rahmen der WTO haben genau die gegenteilige Wirkung von jener, die Sie vermuten. Solche Abkommen sind kein Freibrief für multinationale Konzerne, sondern setzen für alle Marktteilnehmer verbindliche Mindeststandards fest. Damit wird verhindert, daß Staaten, die um international mobiles Kapital konkurrieren, Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards immer weiter nach unten anpassen. Österreich tritt daher im Rahmen der WTO zum Beispiel auch massiv für das Verbot von Kinderarbeit und gegen die Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte ein.

Das MAI wird mitunter als arbeitnehmer- und umweltfeindlich angegriffen. Auch in dieser Hinsicht ist das Gegenteil der Fall. Ein wichtiges Ziel der MAI-Verhandlungen ist es, sicherzustellen, daß das MAI die Möglichkeiten der Vertragsparteien, eine selbständige, nicht diskriminierende Umwelt- und Sozialpolitik zu betreiben und ihren Verpflichtungen aus internationalen Abkommen in diesen Bereichen nachzukommen, nicht beschränkt. Erste Analysen – zum Beispiel jene des


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