Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 95

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Besonders drastisch läßt sich die von Bundeskanzler Klima seit Jahren betriebene Ankündigungspolitik am Beispiel der prekären Situation der Lehrlingsausbildung darstellen.

Mit Ende Februar 1998 standen laut Arbeitsmarktservice 2 452 sofort verfügbaren offenen Lehrstellen 3 521 sofort verfügbare Lehrstellensuchende gegenüber. Laut dem stellvertretenden Leiter des AMS für Jugendliche in Wien trügt aber das statistische Zahlenmaterial, ,da zur offiziellen Zahl noch eine ebenso hohe Dunkelziffer kommt‘. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine IHS-Studie, der zu entnehmen ist, daß ,bei den 15 bis 19jährigen bloß jeder zweite Arbeitslose als solcher registriert sei‘. ,Wer sich länger als einen Monat nicht bei seinem Berater meldet, fällt aus der Computerdatei heraus‘, erklärt eine Beraterin im AMS Wien die Ursache für diesen Umstand. Die tatsächliche und ungeschönte Zahl an Lehrstellensuchenden muß daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt richtigerweise mit alarmierenden 7 000 angesetzt werden, die auch in diesem Jahr auf den Lehrstellenmarkt drängen. Hinzu kommen im heurigen Jahr einerseits jene rund 7 600 Lehrlinge, die im vergangenen Jahr in Schulen abgeschoben wurden, sowie andererseits die Gruppe jener 15jährigen, die die Schulpflicht mit Ende des laufenden Schuljahres erfüllt haben wird. Verschärfend wirkt die Tatsache, daß die Zahl der 15jährigen heuer mit rund 96 000 gegenüber den Vergleichszahlen des Vorjahres um 1 200 gestiegen ist. Darüber hinaus werden Vorzieheffekte in Zusammenhang mit der Anstellung von Lehrlingen im vergangenen Jahr zu einer weiteren Einengung des Lehrstellenmarktes 1998 führen. In diesem Zusammenhang befürchtet Bundesminister und ÖAAB-Obmann Fasslabend, daß es bis Jahresende 1998 zu einem enormen ,Stau‘ von Lehrstellensuchenden kommen wird.

Angesichts der erschreckenden Fakten seien einmal mehr die vom Bundeskanzler getätigten Ankündigungen und Versprechen in Erinnerung gerufen, die durch die Realität längst als leere Worthülsen und Unwahrheiten entlarvt wurden.

Es wurde also nicht nur vom Bundeskanzler angeblich ,oberstes Ziel‘ bei weitem nicht erreicht, ,daß im Herbst kein Lehrstellensuchender ohne Lehrstelle bleibt‘, sondern es ist für dieses Jahr ein wahrhaftes Lehrstellendesaster zu erwarten.

Faktum ist, daß die von Bundeskanzler Klima in Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung eindrucksvoll unter Beweis gestellte fehlende Lösungskompetenz dazu führte, daß durch die Inanspruchnahme von Milliardenbeträgen aus AMS-Mitteln zur Förderung von Lehrstellen es zu einem ,Wildwuchs an Förderungen‘ kam, dessen Gewinner jene Betriebe gewesen sind, die gewartet haben, bis die Regierung in Panik war und junge Leute entsprechend spät einstellten, wie in diesem Zusammenhang selbst der Koalitionspartner, in Person von Dkfm. Dr. Stummvoll, kritisierte.

Durch die Aussage, daß ,das derzeitige System insofern ungerecht sei, als derjenige, der mit der Beschäftigung von Lehrlingen am längsten zuwartet, in der Praxis die meisten Förderungen bekommt’, hat der Bundeskanzler sein Scheitern erkannt, ohne aber aus dem fahrlässigen Umgang mit Steuergeldern Konsequenzen zu ziehen und entsprechende Veranlassungen zu treffen.

Die Konsequenzen dieses Wildwuchses an Förderungen im Vorjahr liegen auf der Hand. Ein Großteil der zur Verfügung stehenden Fördermittel sind aufgrund der laufenden Zusagen bereits gebunden. Die Förderbudgets des Arbeitsmarktservice sind dadurch auf Jahre blockiert, was unter anderem auch zur Aussage des Sprecher des AMS Steiermark geführt hat, daß ,wir für heuer nur wenig Spielraum für neue Fälle haben‘. Für die aktuellen Lehrstellensuchenden steht daher kein Geld mehr zur Verfügung und insbesondere für die Schulabgänger des heurigen Jahres wurden die Chancen, eine Lehrstelle zu finden, stark gemindert.

Ohne Rücksicht auf die besorgniserregende heimische Beschäftigungssituation, die hohen Arbeitslosenzahlen und die ungelösten Probleme der Lehrlingsausbildung riskiert die österreichische Bundesregierung durch ihr Eintreten für eine rasche EU-Osterweiterung auch eine verstärkte Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, das Entstehen eines enormen Druckes auf das heimische Lohnniveau und eine vom österreichischen Arbeitsmarkt nicht zu verkraftende Neuzuwanderung von zigtausenden Billigarbeitskräften, wie dies einer Studie der


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