Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 93

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Die OECD läßt uns wissen, daß in der jetzigen wirtschaftlichen Konjunkturlage ein Defizit von 2,6 Prozent zu hoch ist. Es dürfte höchstens 2 Prozent betragen, um letztlich in schlechteren wirtschaftlichen Zeiten gegensteuern zu können, ohne die 3-Prozent-Marke zu übersteigen.

Wifo und IHS lassen uns dasselbe wissen. Sie meinen sogar, das Defizit dürfe nur 1 bis 1,5 Prozent betragen.

Das Europäische Währungsinstitut ist der Ansicht, daß wir mit dieser Defizitquote nicht in der Lage sein werden, einem Konjunktureinbruch gegenzusteuern.

Woher Walterskirchen vom Wirtschaftsforschungsinstitut den Mut nimmt, uns für die nächsten fünf bis zehn Jahre einen ungebrochenen Aufschwung vorauszusagen, weiß ich nicht.

Meine Damen und Herren! Noch skurriler sind die Jubelmeldungen des Herrn Khol, der uns erklärt hat, daß sich die Eigenkapitalsituation der österreichischen Wirtschaft so sehr gebessert hätte. – So ein aufgelegter Schwachsinn! Das stimmt ganz einfach nicht. Leider stimmt es nicht! Weder die Cash-flows noch die Eigenkapitalsituation sind besser geworden, wenn man von einem schmalen Segment erfolgreicher Exportindustrie absieht.

Anhand der Jahresabschlußzahlen und Kumulierungen, die die Nationalbank jährlich herausgibt, sieht man, daß die Selbstfinanzierungskraft in den Bereichen der Sachgütererzeugung und des Bauwesens um ungefähr 10 bis 15 Prozent sinkt. Die Abschlußkennzahlen für österreichische Gewerbebetriebe zeigen, daß die Eigenkapitalquote in diesem Bereich von etwas unter 6 Prozent auf etwa 5 Prozent sinkt. Die Cash-flows verzeichnen Rückgänge, sowohl der korrigierte Cash-flow in Prozenten der Nettoerlöse – ich will Khol jetzt nicht überfordern; er ist eh nicht hier – als auch der korrigierte Cash-flow in Prozenten des Fremdkapitals, überall sind Rückgänge zu verzeichnen. Und dann stellt sich der Klubobmann einer Partei hier ans Rednerpult und erklärt solch einen Unsinn, nämlich daß die Eigenkapitalquote in Österreich steigt. Er sollte seinen Mitarbeiter, der ihm solch unsinnige Zahlen aufschreibt, hinausschmeißen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er versteht es ja nicht!) Wenn er sie nicht versteht, dann soll er sie nicht zitieren! Das ist doch ärgerlich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Alle Fraktionen in diesem Haus sagen immer wieder ... (Abg. Dr. Mertel: Sie haben den Durchblick, ja?) Ja. Wissen Sie, ich studiere das, was die Nationalbank herausbringt. (Abg. Dr. Mertel: Ich bin voller Bewunderung!) – Danke.

Den Zeiten des Wandels, die wir alle hier beschwören, steht ein Budget des Stillstands gegenüber; Stummvoll war es vorbehalten, diesen Stillstand in – wörtlich – "Stabilität und Kontinuität" umzuargumentieren. Das ist bedrohlich, Herr Finanzminister! Es ist meiner Ansicht nach eine gefährliche Drohung, wenn Sie ein Budget des Stillstands vorlegen in einer Zeit, in der sich die Welt so stark verändert, insbesondere die Arbeitswelt – wir haben weit über 80 Prozent strukturelle Arbeitslosigkeit und maximal 20 Prozent konjunkturelle –, ein Budget, das die Reformen, die wir dringend durchführen müßten, um den Arbeitsmarkt aktiv in Schwung zu bringen – über Deregulierungsmaßnahmen mit sozialem Augenmaß, über Flexibilisierungsmaßnahmen mit sozialem Augenmaß –, nicht vorsieht. Wir müßten unser soziales Netz neu stricken, damit dieser größte Beitrag zur politischen Kultur wirklich hält, auch in schwierigen Zeiten, die kommen können – vielleicht früher, als wir glauben, man muß sich nur die Finanzmärkte anschauen. Sie haben es "Budget der Ehrlichkeit" genannt, Herr Finanzminister. Sie haben offen gesagt: Mehr kann ich nicht! – Ich sage Ihnen offen, Herr Finanzminister: Das ist zuwenig!

Sie riskieren in Zeiten der besseren Konjunktur eine weitere Neuverschuldung von 70 Milliarden, von 1,3 Milliarden Schilling pro Woche. Das heißt: Um Ihr Budget zu finanzieren, müssen Sie Woche für Woche – 52mal im Jahr – den Schuldenstand um 1,3 Milliarden Schilling erhöhen. Wollen Sie den Weg, den sieben sozialdemokratische Finanzminister beschritten haben, weitergehen? Androsch, Salcher, Vranitzky, Lacina, Staribacher, Klima und jetzt Edlinger. Wollen Sie so weitermachen, daß wir in 30 Jahren die Staatsschuld verdreißigfacht haben? Verdreißigfacht! Die Wirtschaftsleistung hat sich nur versechsfacht. Das bedeutet, die Staatsschulden sind fünfmal schneller gewachsen als die wirtschaftliche Leistung.


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