Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 108

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spielt, ist die Frage: Ist der Erweiterungsprozeß übereinstimmend sowohl vom Umfang als auch vom Zeitablauf her heute schon so prognostizierbar, daß in der Zeitspanne von 2000 bis 2006 wichtige Vorbereitungen für diesen Prozeß getroffen werden müssen?

Ich möchte zur Weltmarktorientierung folgendes sagen: Natürlich ist nicht nur jeder europäische Bauer, sondern die gesamte Lebensmittelwirtschaft Europas daran interessiert, daß wir an Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt nicht verlieren. Die Frage ist nur: Kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft so gesteigert werden, daß andere Prinzipien diesem Begriff untergeordnet werden müssen?

Wir gehen davon aus, daß uns aufgrund der unterschiedlichsten gesellschaftspolitischen Standards, der hohen Produktionsstandards, die ich bereits auch im Grundkonsens mit der überwältigenden Mehrheit der österreichischen und der europäischen Konsumentenschaft angesprochen habe, natürlich Grenzen in der Wettbewerbsfähigkeit mit Überseewirtschaften, die von anderen gesellschaftspolitischen Ordnungen und Ansprüchen geprägt sind, gesetzt sind.

Wir gehen davon aus, daß man die europäischen Bauern nicht zusätzlich mit immer mehr Umwelt- und Tierschutzauflagen belasten und gleichzeitig dem Wettbewerbsdiktat des Weltmarktes eine prioritäre Stellung in diesen wichtigen politischen Rahmenbedingungen einräumen kann.

Ich darf darüber hinaus darauf verweisen, daß nur ein bestimmter Prozentsatz unserer Agrarproduktion auf dem Weltmarkt plaziert wird. Europa ist zum Beispiel mit führend in der Positionierung des Weltmilchmarktes. Aber es ist schwer vorstellbar, daß es uns unter liberaleren Bedingungen gelingen könnte, den ohnehin beachtlichen Anteil von 50 Prozent des Weltmilchmarktes unter härterer Konkurrenz von liberaleren WTO-Bestimmungen mit Überseenationen noch wesentlich auszubauen.

Ich möchte mich nun der wichtigen Frage der Budgetierung zuwenden. Es ist sichergestellt, daß die europäische Agrarpolitik weiterhin gemäß der Agrarleitlinie – verbunden mit politischen Sicherheiten – finanziert wird. Fraglich ist, ob das, was die Reform 1992 mit sich gebracht hat – Preissenkungen zur Ermöglichung des Abschlusses des GATT-Prozesses in der WTO-Runde und Ausgleichszahlungen für die Bauern, verbunden mit höheren Beanspruchungen der Budgets, was bedeutet, daß die Verluste auf dem Markt durch Ausgleichszahlungen aus den Budgets und zusätzlichen Umweltleistungshonorierungen über die Budgets ausgeglichen werden –, auch weiterhin bestehen bleibt. Völlig klar ist, daß die in den Diskussionen – die in den letzten Jahren zugegebenermaßen sehr sensibel geführt worden sind – vertretene Meinung, daß die Bauern beziehungsweise die europäische Landwirtschaft mit 50 Prozent des EU-Budgets überdotiert wäre, nicht akzeptiert werden kann.

Meine Damen und Herren! Diese 50 Prozent resultieren nicht aus einer Überdotierung der Landwirtschaft, sondern aus dem extrem tiefen Vergemeinschaftlichungsgrad der Agrarpolitik als einem der Grundpfeiler der europäischen Vision schlechthin. Wenn man das Steueraufkommen der 15 Mitgliedsländer zusammenzählt und die Budgetbeträge der EU-Agrarpolitik zu jenen der nationalen Agrarpolitiken in Relation stellt, so wird man sehen, daß für die Landwirtschaft nicht 50 Prozent der europäischen Steuergelder ausgegeben werden, sondern bloß 1,98 Prozent. Die weltwirtschaftliche Herausforderung mit der Konkurrenzsituation zu den Vereinigten Staaten von Amerika zeigt, daß der Förderungsgrad der europäischen Landwirtschaft mit ungefähr netto 50 Prozent des BIP unter dem Betrag liegt, den die USA für Agrarpolitik in der Vergangenheit ausgaben und in der Gegenwart ausgeben, wo der Satz bei 65 Prozent liegt.

Ich verweise darauf, daß die Prinzipien, die die Kommission vorgegeben hat, nämlich 1,27 Prozent Grundfinanzierung beizubehalten und davon 0,11 Prozent für die Finanzierung der Vorbereitung des Erweiterungsprozesses zur Verfügung zu stellen, im Grunde genommen eindeutig zeigen, daß für andere wichtige Vorhaben, die wir uns in Europa vorgenommen haben, zum Beispiel für wirkungsvolle Arbeitsmarktpolitik, die entscheidende budgetäre Verbesserung aus diesem geringfügigen prozentuellen Ansatz des gesamteuropäischen Steueraufkommens nicht kommen kann.


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