Das hieße etwa, tatsächlich das Recht auf Teilzeitkarenz für beide Erziehende zu schaffen, selbstverständlich, denn sonst kommt man nicht zu dieser Dauerhaftigkeit, sonst kann es nicht zu dieser Kommunikation von Erwachsenen und Kindern genau in diesen schwierigsten Perioden für die Kinder kommen.
Das hieße, daß Sie das zur Verfügung stellen müßten. Das hieße aber auch, etwas nachzudenken – und da bin ich für manche Anregungen, die gekommen sind, durchaus offen – über die Qualität der Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen, und zwar nicht nur auf der Seite der Eltern, sondern auch auf der Seite der betreuenden Institutionen, wie zum Beispiel der Kindergarteneinrichtungen, wo ein bestimmtes Maß an Zeiteinheit pro Kind teilweise nicht mehr gegeben ist, weil zu viele Kinder in einer Gruppe sind, oder der Schule, wo in den vergangenen Jahren im Zuge der Sparmaßnahmen die Anzahl der SchülerInnen in den Klassen erhöht worden ist, wodurch natürlich die Aufmerksamkeit, die ein Lehrer oder eine Lehrerin den Kindern schenken kann, zurückgenommen worden ist.
Ich frage mich, ob das notwendige Ausmaß an Zeit nicht nur auf seiten der Schulen oder Betreuungseinrichtungen, wie zum Beispiel der Kindergärten, also Einrichtungen, denen ziemlich viel an gesellschaftlichen Aufträgen überantwortet wird, egal ob es Drogenprävention oder eine andere Aufgabe ist, sondern auch auf seiten der Eltern tatsächlich vorhanden ist.
Wenn man sich die Untersuchungen, die teilweise in Ihrem Auftrag, Herr Familienminister, gemacht worden sind, ansieht, dann weiß man eines: Die individuelle Verfügungszeit nimmt zwar noch zu, aber die sozialen Zeiten nehmen ab, also die Zeiten, die tatsächlich gemeinsam verbracht werden. Es wäre daher Aufgabe einer Familienpolitik ohne ideologische Scheuklappen, genau darüber die Debatte zu führen, Überlegungen dahin gehend anzustellen, wie wir sicherstellen können, daß die Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern tatsächlich kommunizieren können, sich die Frage zu stellen, wie wir eine bestimmte Qualität der Betreuungseinrichtungen sicherstellen können, sodaß ein Ausmaß an Zeit, das individuelle Kontakte und soziale Kommunikation sicherstellt, noch gewährleistet ist. Das wären jene Fragen, die im Zusammenhang mit einem umfassenden Familienpaket fernab von Weihrauch und Myrrhe zu stellen gewesen wären. Diese Fragen wurden aber leider bis jetzt nicht gestellt, und sie sind mit diesem Familienpaket auch nicht beantwortet worden.
Ich ersuche Sie, diese Debatte mit etwas mehr Ernsthaftigkeit zu führen. Da geht es tatsächlich um elementare Fragen. Sie könnten sich – das wage ich zu behaupten, wenn ich die Ergebnisse der Drogenforschung, des Suchtverhaltens von Kindern und Jugendlichen Revue passieren lasse – ziemlich viele Programme über Sucht- und Drogenprävention sparen, wenn tatsächlich der Faktor Zeit, nämlich soziale Zeit in den Beziehungen zwischen Jugendlichen oder Kindern und Erwachsenen etwas mehr Raum erhielte.
Aber wenn auf der einen Seite die Politik und die Wirtschaft Rahmenbedingungen setzen, die das nicht mehr ermöglichen, indem das Tempo, der Beschleunigungsfaktor immer größer wird, in dem diese Zeit nicht mehr zur Verfügung gestellt wird, dann werden natürlich auf der anderen Seite kontraproduktive Maßnahmen gesetzt, die dann genau dazu führen, daß Sie hinterher wieder Krisenpolizei spielen müssen, und zwar über die Schulen, über die Betreuungseinrichtungen, über Familienberatungsstellen, und versuchen müssen, da und dort noch zu reparieren, was zu reparieren ist. Aber das ist nicht vorsorgende Politik, sondern nachsorgende Politik. Aber da müßte Familienpolitik beginnen, meine Damen und Herren!
Das ist jedoch in dieser Debatte, in der man sich nur darauf konzentriert hat, von großartigen Erfolgen zu sprechen, die Sie jetzt abfeiern wollen, bisher leider nicht Gegenstand der Diskussion gewesen. Aber ich hoffe, Herr Bundesminister, daß wir irgendwann einmal die Möglichkeit haben werden, auch diese Fragen etwas ernsthafter zu diskutieren, da Sie in diesem Familienpaket für den Faktor Zeit keine Vorsorge getroffen haben. (Beifall bei den Grünen.)
17.24
Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es hat sich nunmehr der Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.