Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 123. Sitzung / Seite 27

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Sie haben durch diese Vermischung der Benennung seit 1993 auch dazu beigetragen, daß dieser Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen konnte. Ich glaube, es wäre auch im Interesse einer korrekten Zuordnung wichtig, klarzustellen, daß gerade die Maßnahmen der letzten Jahre dazu beigetragen haben, den Zugang in die Pensionen abzusenken, aber – an dieser Stelle komme ich noch einmal zum Thema Arbeitslosigkeit zurück – um welchen Preis! Bei den über 50jährigen beziehungsweise über 55jährigen Männern und Frauen liegen steigende Arbeitslosenzahlen vor, und zwar nicht im einstelligen Bereich, sondern im zweistelligen Bereich.

Ich frage mich – und da interessiert mich dieser scholastische Streit: gelten diese nun als Arbeitslose oder nicht? nicht –, ob das, was Sie hier machen, wirklich gut ist. Einerseits nehmen Sie den Menschen den Weg in die Pension, bieten ihnen andererseits aber keine Möglichkeit für eine Beschäftigung und schränken die soziale Sicherung, die es in Form des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe gibt, auch noch ein. Das kann nicht die Lösung für die Problematik der älteren Arbeitnehmer oder Arbeitslosen sein, die jahrzehntelang gearbeitet haben und nun damit konfrontiert sind, daß sie von dieser Republik – das ist nicht in erster Linie eine staatliche Angelegenheit, sondern eine der Wirtschaft – nicht mehr gebraucht und auf ihrem Arbeitsplatz nicht mehr gewünscht werden.

Wenn wir an dieser Stelle über Sozialpolitik diskutieren, dann sollten wir auch über die Tatsache diskutieren, daß sich die Wirtschaft in zunehmendem Maße – und nur so kann ich mir erklären, daß sich die ÖVP an dieser Debatte überhaupt nicht mehr beteiligt – an der Finanzierung dieses Sozialsystems in Zukunft nicht mehr in dem gewohnten Ausmaß beteiligen will, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Wenn wir über Sozialpolitik und über den Ausbau beziehungsweise den Umbau von Sozialpolitik diskutieren, dann sollten wir nicht nur darüber diskutieren, wie wir mit Beitragserhöhungen oder gleichbleibenden Beitragssätzen dieses Sozialsystem, das in einigen Bereichen mehr als große Risse hat, sichern können, sondern auch darüber, mit welchen Maßnahmen, durch welche politischen Schritte es überhaupt noch absicherbar ist, ob dies eine Frage von Beiträgen oder von Steuern ist oder ob es nicht vielmehr eine Frage des politischen Willens der gestaltenden Kräfte in diesem Lande ist – das betrifft auch die Politik, das betrifft aber auch die Wirtschaft – und ob den Entscheidungsträgern dieser politische und gestaltende Wille in den letzten Jahren nicht in erheblichem Maße gefehlt hat. Diese Frage möchte ich in diese Debatte noch einbringen.

Wenn ich dies alles in Betracht ziehe und auch den Sozialbericht ansehe, den wir heute nicht diskutieren, muß ich feststellen, daß wir in Österreich seit mehreren Jahren mit einem steigenden Armutsproblem konfrontiert sind. Dann kommt man auf die Idee, daß dies mit dem Wirtschaftssystem, mit dem politischen System und allen Begleitumständen, die daraus resultieren, zusammenhängen könnte.

Meine Damen und Herren! Ich mache nicht den Fehler, die Bundesministerin alleine dafür verantwortlich zu machen. Sie, Frau Ministerin, haben aber auch die Aufgabe und die Verantwortung, nicht in den nächstbesten Topf hineinzugreifen und sich die Mittel für die Pensionsversicherung von den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen zu holen, wenn die entsprechende Mittel fehlen, oder aus anderen Bereichen, wie etwa aus der Unfallversicherung, einige hundert Milliarden "abzuzweigen" – wie Sie das zu machen pflegen.

Sie haben die Aufgabe, auch die Auseinandersetzung um die Zukunft dieses Sozialsystems in Österreich offensiv zu führen. Das hieße im Zusammenhang mit all den Debatten um den neuen Aktionsplan beispielsweise das Thema Arbeitszeitverkürzung in einer anderen Form, als es etwa derzeit im Aktionsplan auftaucht, in die Debatte einzubringen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag ist geschäftsordnungskonform eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Ministerin.


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