Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 23

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hungen zu Rußland annehmen. Als äußerst wichtiges Land am Rande Europas – wenn Sie so wollen, am Rande der Europäischen Union – soll Rußland einen außenpolitischen Schwerpunkt ihrer Ratspräsidentschaft darstellen.

Ich meine, auch Österreich wäre es durchaus gut angestanden, für die Zeit der EU-Präsidentschaft ebenso frühzeitig die Setzung eines außenpolitischen Schwerpunktes anzukündigen, und zwar für ein weiteres Land am Rande Europas. Wir könnten verstärkt Initiativen setzen und Bemühungen initiieren, die sich anschließend beschreiben lassen und damit sicher auch budgetäre Auswirkungen auf das nächste Jahr haben würden. – Einen solchen Ansatz kann ich jedoch nicht erkennen.

Meiner Meinung würde sich ein Land besonders gut für eine solche Schwerpunktsetzung eignen, nämlich die Türkei – und dies aus vielerlei Gründen. Es sei an dieser Stelle nur ein einziger herausgegriffen, er ist hochaktuell, und fast täglich ist darüber in den Zeitungen zu lesen: Wie stellt sich die derzeitige Position der Türkei zur Europäischen Union dar? – Ich vernehme aus dem Außenamt – und kann dies auch in Ihren Unterlagen nachlesen –, daß Sie zu der Einschätzung gelangen, daß die Türkei durchaus Optionen für einen EU-Beitritt hat. Wir wissen aber, daß das Land selbst die Situation ganz anders einschätzt. Wir wissen, daß es aufgrund der Divergenzen und Differenzen hinsichtlich der unterschiedlichen Einschätzungen zu nicht unheiklen und menschenrechtlich bedenklichen Situationen gekommen ist, etwa zur Verhaftung einer Reihe von Funktionären der kurdischen Partei, der HADEP, oder zum unlängst verübten Attentat auf den Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation in Ankara. Es kam zu weiteren, verstärkten Interventionen der türkischen Armee in den Kurdengebieten und auch zu Überfällen im Irak.

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Das stellt aber nicht das einzige Problem dar, mit dem das Land konfrontiert ist, wie wir wissen. Zum einen gibt es den schweren Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei, zum anderen die Zypernfrage. Dies hängt alles sehr stark mit den Fragen der Europäischen Union und der Integration zusammen. All dies könnte ein Schwerpunkt sein.

Da reicht es nicht, Herr Außenminister, zu sagen: Ja, wir sind dabei, wir tun dies, wir machen das. Ich meine, Sie wären gut beraten, zu sagen: Wir nehmen uns das als Schwerpunkt vor und spielen diesen Ball dann gewissermaßen weiter, zum Beispiel an eines der Länder, das uns in der Ratspräsidentschaft folgt. Wir setzen diese Aktivitäten auch in den nächsten Jahren fort.

Auch das wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage, wohin sich Europa außen- und sicherheitspolitisch in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren entwickelt und was wir zu dieser Entwicklung beitragen können. Wir werden ja in ein oder zwei Monaten noch Gelegenheit haben, eine außenpolitische Debatte zu führen. Denn eine Diskussion über die diesbezüglichen Möglichkeiten Österreichs wäre durchaus spannend.

Ein paar Worte noch zum Fall Kroatien, der zurzeit von der OSZE stark kritisiert wird, nämlich hinsichtlich der Nichteinhaltung des Abkommens, der Unmöglichmachung der Rückkehr von Flüchtlingen in die Gebiete von serbischen Flüchtlingen. Es stellt sich die Frage, wie Kroatien mit den Minderheitenrechten umgeht, was das Land von den entsprechenden vertraglichen Verpflichtungen erfüllt oder nicht erfüllt und in welchem Ausmaß die Rechte der Minderheiten berücksichtigt werden.

Kroatien war lange Zeit einer der Schwerpunkte Ihres Vorgängers. Damals ging es aber eher um Kriegsgetümmel, um es einmal so zu nennen. Nun wäre es wirklich eine Herausforderung für Österreich, zu sagen, da geht es um entsprechende diplomatische Bemühungen, um in Hinkunft zu gewährleisten, daß die Vereinbarungen, die auch Kroatien mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens eingegangen ist, eingehalten werden.

Meiner Meinung nach hat Österreich aufgrund seiner früheren Beziehungen in Kroatien durchaus Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen und etwas zu erreichen. Doch auch eine solche Schwerpunktsetzung kann ich nicht erkennen, so wie ich – um noch einmal darauf zurückzukommen – insgesamt nicht sehe, daß jener Bereich der Außenpolitik, in dem es um konflikt


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