Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 32

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Aber nun zu meinem eigentlichen Thema: Bei der Frage, wer in den "Warteraum" für die EU hineindarf, ist die Slowakei übergangen worden. Dies geschah unter anderem mit der Begründung, daß sie den Minderheiten innerhalb ihrer Grenzen, vor allem den Ungarn, nicht die entsprechenden Rechte einräume. – Das ist eine interessante Entscheidung. Meiner Ansicht nach wird da mit zweierlei Maß gemessen, denn gleich im Nachbarland der Slowakei, in Tschechien, gibt es eine altösterreichische Minderheit deutscher Zunge, die mindestens 60 000, nach manchen Zählungen 200 000 Personen umfaßt. Dieser zahlenmäßig bedeutsamen Volksgruppe der Altösterreicher deutscher Zunge kommt in Tschechien überhaupt keine Rechte zu.

Darauf hat im Rahmen der EU bis jetzt noch niemand hingewiesen, vor allem nicht die Österreicher. Es gibt keine Rechte für die Altösterreicher deutscher Zunge im Lande des Beitrittskandidaten Tschechien. Dort gelten auch noch die Beneš-Dekrete aus den Jahren 1945 und 1946. Unter dem Begriff "Beneš-Dekrete" kann sich der eine oder andere vielleicht nicht wirklich etwas vorstellen. Ich habe sie mir daher ausheben lassen und darf Sätze daraus vorlesen.

Darin heißt es unter anderem: "Das im Gebiet der Tschechoslowakischen Republik befindliche Vermögen der staatlich unzuverlässigen Personen" – merken Sie sich bitte diesen Begriff! – "wird gemäß den weiteren Bestimmungen dieses Dekretes unter nationale Verwaltung gestellt." "Als staatlich unzuverlässige Personen" – da haben wir es wieder – "sind anzusehen: Personen deutscher oder madjarischer Nationalität."

Unter Personen deutscher Nationalität sind im Sinne dieses Dekrets nicht nur die Deutschen im engeren Sinn, sondern auch die Österreicher und vor allem die Liechtensteiner verstanden worden. Die Liechtensteiner waren sehr vermögend, und es war sehr wichtig, dieses Vermögen zu bekommen.

Weiters ist in den Beneš-Dekreten festgelegt: "Mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet, das im Eigentum steht: aller Personen deutscher und madjarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit".

Es heißt auch: "Die ... tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer Nationalität verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft mit dem Tage, an dem dieses Dekret in Kraft tritt." – Es ist aus dem Jahre 1945.

Außerdem findet sich noch folgende Bestimmung: "Eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945" – der Krieg war schon am 8. Mai 1945, also ein halbes Jahr vorher, zu Ende! – "vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten" – die Freiheit der Tschechen und Slowaken war damals schon seit einem halben Jahr gewonnen – "oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziel hatte, ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre." – Das alles gilt also rückwirkend für Taten bis ein halbes Jahr nach dem Ende des Krieges!

Meine Damen und Herren! Die letztgenannte Bestimmung gilt dem Umstand, daß 242 000 Altösterreicher deutscher Zunge im Rahmen der Vertreibung umgebracht wurden, aber auch der Ermordung von 250 000 deutschen Kriegsgefangenen in der damaligen Tschechoslowakei. Alle diese Bestimmungen wie Vermögensverfall und Entzug der Staatsbürgerschaft trafen Menschen, nur weil sie einer bestimmten Sprachgruppe – der deutschen, ungarischen oder magyarischen Sprachgruppe – angehörten.

Auch jene Bestimmungen, wonach damals alles erlaubt war – sogar Leute umzubringen – sind bewußt heutzutage noch geltendes Recht und werden, wie wir aus den Zeitungen wissen – der Gerichtshof in Brünn etwa hat in dieser Richtung entschieden –, auch heute noch angewendet.

Das heißt, ein himmelschreiendes Unrecht, das man, wenn man sehr tolerant ist, aus der Warte des Jahres 1945 vielleicht noch verstehen, sicherlich aber nicht entschuldigen kann, ist heute,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite