Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 46

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Europas zu überwinden. Und sie ist auch eine Chance für Österreich, aus der Grenzposition wieder in die Mitte Europas zu kommen. Daß gerade unsere kleineren und mittleren Unternehmen diese Chance zu nützen wußten, geht aus einem Bericht des österreichischen Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche hervor, wonach in der Zeit seit der Ostöffnung 40 000 neue Arbeitsplätze in Österreich netto gewonnen wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das muß man einfach erkennen, wenn man über die Schwierigkeiten spricht. Abgeordneter Haider hat heute nur von den Schwierigkeiten gesprochen und darauf hingewiesen, welche Gefahr die unterschiedlichen Löhne und Sozial- und Umweltstandards in den neuen Mitgliedstaaten gegenüber der EU mit sich bringen. (Abg. Böhacker: Berechtigterweise!) – Jawohl, berechtigterweise! Er hat allerdings den Vorwurf an den Außenminister und an die Regierung hinzugefügt, daß sie "fahrlässig dies übersehen würden". Und das ist falsch.

Ich darf aus einer Rede des Herrn Vizekanzlers vom 29. Jänner 1998 auf der Ostregionenkonferenz in Graz zitieren, wo er wörtlich gesagt hat: Auch die durch die Integration unserer Nachbarstaaten in die EU ausgelösten Probleme und Risiken dürfen allerdings nicht unterschätzt werden. Dann hat er sie aufgezählt, es waren genau die gleichen. Aber jetzt kommt der Unterschied: Abgeordneter Haider hat keine Lösung angeboten. Er sagt nur nein zur EU, nein zum Euro, nein zur Osterweiterung.

Kollege Spindelegger als unser außenpolitischer Sprecher hat darauf verwiesen, daß es wesentlich darauf ankommt, wie und wann diese Erweiterung erfolgt. Zum Wie und zum Wann gibt es Vorbilder. Entscheidend für das Wie wird sein, daß die Vorbereitungsphase, die Vorbeitrittsphase entsprechend genützt wird, und zwar genützt wird – das ist das entscheidende –, um die Lohnunterschiede, die wirtschaftlichen Unterschiede auszugleichen und die Sozial- und die Umweltstandards anzuheben, damit das Andockmanöver ohne große Erschütterungen sowohl in den neuen Mitgliedstaaten als auch in der EU vollzogen werden kann. (Abg. Böhacker: Wie würden Sie das machen, und wie machen Sie das?) Bei diesem Andockprozeß, bei dieser Vorbereitung kann uns natürlich das INTERREG-Programm helfen.

Zum Wann möchte ich folgendes sagen: Es ist völlig klar, daß sich die mittel- und osteuropäischen Staaten nicht mit den EFTA-Staaten der letzten Erweiterung vergleichen können. Sie können sich mit Portugal und Spanien vergleichen, also mit Ländern, die damals auch gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten wirtschaftlich weit zurückgelegen sind.

Welche Vorbereitungszeit war für Portugal und Spanien vorgesehen, und was wurde tatsächlich in Anspruch genommen, inklusive Ratifikationsprozeß? – Acht Jahre und bis zu zehn Jahre Übergangszeit in sensiblen Bereichen wie der Landwirtschaft, dem Niederlassungsrecht und der Dienstleistungsfreiheit.

Das heißt, was für Portugal und Spanien notwendig war, wird natürlich auch für unsere Nachbarländer im Osten, die durch die kommunistische Unterdrückung keine Marktwirtschaft gehabt haben, die in Portugal und in Spanien wenn auch rückständig, aber doch vorhanden war, notwendig sein. Daraus ergibt sich auch die Wichtigkeit der Hilfe in der Vorbereitungsphase, damit sie dieses Ziel erreichen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist nicht damit getan, daß man nur den Acquis communautaire übernimmt, also den Gesetzesbestand der EU, sondern es bedarf auch funktionierender Institutionen und entsprechend ausgebildeter Menschen, die diese Aufgabe auch ausführen können. In der Ausbildung liegt auch eine große Aufgabe Österreichs und der EU, helfend einzuspringen.

Noch etwas: Wir müssen bedenken, daß diese Ausbildung auch bedeutet, daß man sich geistig umstellen muß, denn in den 50 Jahren des Kommunismus hat eine ganz andere Denkweise regiert, und es ist für manche nicht ganz einfach, diesen notwendigen Umstellungsprozeß zu vollziehen. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir behutsam die Ziele der Agenda 2000 angehen, nämlich eine auf Qualität, auf den ländlichen Raum und auf die Umweltfunktion der Landwirtschaft ausgerichtete schrittweise Reform und ebenso eine Umschichtung und schrittweise Umstellung der regionalen Förderung.


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