Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 117

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wurden und jedenfalls kein Grund für Befürchtungen besteht, daß die österreichweite Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes beeinträchtigt werden könnte. (Abg. Dr. Ofner: Herr Minister! Welche Erwartungen sind das gewesen? Wessen Erwartungen sind das gewesen?)

Die Erwartungen sind auf der einen Seite – das war das Argument –, den Zugang zum Obersten Gerichtshof maßvoll zu beschränken, ohne deshalb die Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes, die zu Recht eingemahnt und eingefordert wird, zu gefährden. Und genau das wird durch diese Regelung durchaus sichergestellt. (Abg. Dr. Ofner: Was sich der Apparat gewünscht hat, ist eingetreten!) – Aber man kann auch nicht immer das tun, was die Rechtsanwälte wollen. Daß wir damit nicht nur in den Apparat hineingehört haben, wirst du gesehen haben, wenn du das Editorial in der "Richterzeitung" gelesen hast. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Aber es gibt noch die Bürger! Es gibt die Bürger, und es gibt die Notare!)

Meine Damen und Herren! Unsere Arbeiten im internationalen Bereich – und dieser wird immer größer – werden in nächster Zeit zweifellos im Zeichen der Übernahme des österreichischen Vorsitzes in der Europäischen Union in der zweiten Jahreshälfte stehen. Diese Präsidentschaft fällt in eine Zeit, in der auch die Justizpolitik der Gemeinschaft vor neuen Herausforderungen steht. Gleichsam am Vorabend des Inkrafttretens des Vertrages von Amsterdam, mit dem wichtige Schritte auf dem Weg des europäischen Integrationsprozesses gesetzt werden, ergeben sich auch neue Perspektiven für die Weiterentwicklung der justitiellen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten.

Eine der wesentlichen Neuerungen des Vertrages bildet die Vergemeinschaftung einer Reihe von Materien, die bisher der sogenannten Dritten Säule, also Justiz und Inneres, des Vertragswerks der Europäischen Union zugehörten. Darunter fallen insbesondere Maßnahmen der Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind.

Rechtliche Hemmnisse, die die Geltendmachung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erschweren oder verzögern, wie etwa auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts, des Zustellwesens sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sollen abgebaut oder überhaupt beseitigt werden.

Zugleich gilt es, den Herausforderungen zu begegnen, die sich in einem Europa offener Grenzen aus neuen Formen organisierter Kriminalität und aus dem mit diesen offenen Grenzen verbundenen Mißbrauch des freien Waren-, Kapital-, Dienstleistungs- und Personenverkehrs in der Gemeinschaft für die Rechtssysteme und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten vor allem auf strafrechtlichem Gebiete ergeben.

Der österreichische EU-Vorsitz steht aber auch im Zeichen der geplanten Osterweiterung der Europäischen Union, die für Österreich nicht nur aus geographischen und historischen Gründen besondere Bedeutung hat. Aus Sicht der Justiz erscheint es wesentlich, daß die im Vertrag von Amsterdam bekräftigten allgemeinen Grundsätze – Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit – zu wesentlichen Kriterien der ins Auge gefaßten Beitritte zur Europäischen Union werden. Das bedeutet nicht allein die formelle Übernahme des Rechtsbesitzstandes der Union, sondern das Vorliegen institutioneller Voraussetzungen, um diese auch effektiv umsetzen zu können.

In diesem Zusammenhang wird die österreichische Justiz, wie das auch bisher unser Bemühen war, ihre Maßnahmen zur Unterstützung der Reformstaaten bei ihren Anstrengungen, die angeführten Kriterien zu erfüllen und sich damit den Rechtsstandards der Europäischen Union anzugleichen, fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zum Budget 1999. Auch wenn die Gesamtausgaben des Justizressorts um 375 Millionen Schilling gegenüber 1998 steigen, wird die prozentuelle Belastung des Bundeshaushaltes netto geringer als im Vorjahr sein, weil wir mit einer Einnahmenerhöhung in der Höhe von zirka 440 Millionen Schilling rechnen. Die Mehrausgaben sollen die steigenden laufenden Ausgaben abdecken und schwerpunktmäßig Erhöhungen im Bereich


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