Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 54

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13.32

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abgeordneter Khol hat eine Debatte über die NATO und über die Sicherheitspolitik urgiert und uns ein bißchen unterstellt, daß wir diese Debatte nicht führen wollten beziehungsweise in stärkerem Ausmaß führen sollten.

Herr Abgeordneter Khol! Das Problem ist, daß eine Debatte nur dann ehrlich geführt wird, wenn sie von beiden mit einem gewissen Wollen geführt wird. Weiters sollte eine Debatte über etwas, was auch die Verfassung betrifft, nicht dazu führen, daß die Debatte an sich schon dazu verwendet wird, ein bißchen Radiergummi, Korrekturlack und Tipp-Ex für die Verfassung selbst oder Gesetze zu sein.

Selbstverständlich sind wir zu jeder Debatte bereit. Aber eine Debatte zu führen kann nicht automatisch heißen, daß dadurch ein Gesetz in seiner Gültigkeit schon in Frage gestellt ist. (Abg. Jung: Ausgehöhlt haben Sie es eh schon früher!) Darüber müßte Einigkeit bestehen.

Das Bild von der NATO, die nicht Österreich beitreten kann, stimmt zwar, aber ebenso stimmt auch das umgekehrte Bild, das sogar mit einer Person als Karikatur in einer Zeitung zu sehen war, nämlich daß der Außenminister, der Verteidigungsminister oder der Klubobmann persönlich nicht der NATO beitreten kann. Ein solcher Schritt muß von der Mehrheit in Österreich getragen sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das ist nie bestritten worden, Herr Kollege!)

Auch ich bekenne mich zu der in den letzten Wochen und Monaten so oft erwähnten einheitlichen Linie. Aber: eine einheitliche Linie muß heißen, daß, solange es eine Debatte über eine neue Linie gibt, natürlich noch die bestehende und verfassungsrechtlich fundierte Linie gilt. Je mehr es darüber Klarheit und je weniger Zweideutigkeiten es gibt – wie manchmal beim Herrn Verteidigungsminister –, umso leichter wird uns eine offene und inhaltsvolle Debatte fallen.

Ich möchte noch anmerken, daß es vielleicht ganz gut wäre, wenn Herr Klubobmann Khol bei den Bildern bliebe, denn mit den Zitaten hat er seine Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, ob Prinz Eugen Latein gesprochen hat. Das Zitat "si vis pacem, ..." ist sicher nicht von ihm, denn es ist von Vegetius, 4. Jahrhundert nach Christus, wie in jedem Büchmann festzustellen ist, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Aber es wurde vom Prinzen Eugen der Maria Theresia gesagt!)  – Natürlich! Jeder darf einen Ausspruch zitieren, aber auch wenn er es gesagt hat, stammt es dann nicht von ihm, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Ich bin froh, daß du es besser weißt! – Abg. Jung: Im Lateinunterricht aufgepaßt!)

Bezüglich der Frage der Neutralität haben mir manche Formulierungen nicht gefallen, inhaltlich sind wir nicht so weit auseinander. Es ist selbstverständlich: Je mehr Systeme der Sicherheit und des Eingreifens in der Welt und in Europa gebildet werden, desto geringer wird der Anwendungsbereich der Neutralität. Es gibt bereits die UNO und die OSZE, und wenn sich nun in der EU etwas Ähnliches entwickelt, dann ist der Rest die Neutralität. Es ist zwar ein wichtiger, ein bestehender Rest, das Anwendungsgebiet jedoch ist geringer geworden. An sich ist sie dadurch nicht unnötig geworden, da es noch immer Fälle gibt, in denen sie notwendig sein kann. Aber es ist ein wünschenswerter Prozeß, daß sich die Staatengemeinschaft tendenziell wie ein Neutraler verhält und die Neutralität dadurch Anwendungsbereiche verliert. Denn das bedeutet, daß von der Staatengemeinschaft Grundsätze in der Politik angewendet werden – und das ist wünschenswert! Gerade für Neutrale ist das wünschenswert.

Zum Amsterdamer Vertrag möchte ich nur anmerken, daß uns die Verschmelzung der WEU mit der EU kein Kopfzerbrechen bereitet. Delors hat schon 1992 klargestellt, worin der Unterschied besteht: In der WEU wie in der NATO besteht die Verpflichtung eines Staates, einem anderen Staat im Falle eines Angriffes zu helfen. Bei der Verschmelzung wird die Hilfe eines Staates für einen anderen Staat im Falle eines Angriffes in die Hilfe eines Staates für das Ganze umgewandelt. Ein Angriff auf Belgien wird also nicht als Angriff auf Belgien gesehen, dem Österreich helfen muß, sondern ein Angriff auf jeden Staat der EU ist ein Angriff auf die EU als Ganzes und damit auch auf die anderen Staaten. Alle gemeinsam machen daher vom Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch.


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