Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 59

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das war richtig so –: mit dem Besuch des Außenministers in Slowenien, fortgesetzt in Prag, in Warschau und in den baltischen Ländern. Man hat ganz nüchtern gewußt: Das, was in unserer Umgebung passiert, wird immer das wichtigste sein.

Nachbarschaftspolitik war schon in der Zeit des kalten Krieges ein gutes Instrument der Außenpolitik – nicht, weil wir uns geliebt haben, im Gegenteil. Wir waren Demokratien, und auf der anderen Seite des Eisernen Vorhanges war ein verbrecherisches System. Aber es ging um Lebens- und Überlebensfragen. Wir sollten auch jetzt eine europäische Außenpolitik in Form einer Nachbarschaftspolitik praktizieren. Ich glaube, es ist ein Verdienst, wenn die österreichische Erfahrung auch in die europäischen Erfahrungen und Interessen eingebracht wird.

Ob dort die Belastungen des kommunistischen Systems bald überwunden werden oder nicht, wird die Stabilität dieser Länder bestimmen, wird teilweise auch unsere Stabilität bestimmen. Daher, glaube ich, ist die Erweiterungsfrage nicht nur eine zentrale Frage, sondern auch eine positiv zu lösende Frage bei all den Schwierigkeiten, die es natürlich gibt. – Nennen Sie mir eine Frage, die keine Schwierigkeiten aufgeworfen hätte! Wir neigen aber dazu, zu übertreiben und pessimistisch zu sein.

Wenn wir daran denken, daß sich heute die Europäische Union, die weiter hinausgreift, über nationale Grenzen, über die Grenzen der Europäischen Union, als ein Land wie Österreich dies macht, mit der Situation im Nahen Osten beschäftigt, einem ständigen Krisenherd, mit der Situation der im Mittelmeer angesiedelten südlichen EU-Länder und der Situation der an der südlichen Küste angesiedelten arabischen Länder, sich beschäftigt mit dem Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, mit Kanada im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft, mit Rußland und natürlich auch mit den Ländern, die Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sind, erkennen wir, daß all das Nachbarschaftsregionen der EU sind. Das ist das Korrespondierende zur seinerzeitigen österreichischen Nachbarschaftspolitik: die heutige europäische Nachbarschaftspolitik.

Hiezu hat Außenminister Schüssel einiges eingebracht. Kinkel und der französische Außenminister durften nicht nach Pristina fahren. Seine Autorität aber hat man akzeptiert. Als er bei Miloševic war, hat man noch gesagt: Kommt nicht in Frage, daß internationale Instanzen eingeschaltet werden! Heute ist es selbstverständlich, daß eine Reihe von internationalen Instanzen, auch die Troika eingeschaltet wird, um sich Pristina und seine Umgebung anzusehen, um sich anzusehen, was dort an Menschenrechtsverletzungen stattfindet.

Ich gratuliere, denn das ist auch Ihr Erfolg, Herr Minister, und ich gratuliere wirklich zu diesem Schritt-für-Schritt-Approach. Das ist genau das, was Sie von Jean Monnet zitiert haben: Die Europäische Union läßt sich nur in kleinen Schritten, gelegentlich mühselig, erarbeiten, nicht in einem großen Entwurf. Eine neue Verfassung, eine verfassungsgebende Versammlung werden beschlossen, und dann gibt es ein neues Europa – so sicher nicht! Wir müssen uns dieser Mühe unterziehen, und ich glaube, das Ziel ist es wert, daß wir uns dieser Mühe unterziehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das steht in keinster Weise in Widerspruch zur Globalisierung, mit der ich mich wiederholt beschäftigt habe. Auch ich habe nach dem Beitritt zur Europäischen Union gesagt: Jetzt geht es vor allem darum, aus den Beziehungen zum pazifischen Raum, zu Asien einen Schwerpunkt zu machen. Trotz der Wachstumskrise, die es derzeit dort gibt, bleibt dieser Raum ein wichtiger Sektor. Wir müßten das mittels Schwerpunktsetzung und Engagement lösen können.

Meine Damen und Herren! Ein Land wie Österreich war vor 50 Jahren eines der schwächsten Länder, ein Land wie Österreich galt in den Jahren 1945 bis 1947 als nicht lebensfähig. Bei der vorbereitenden Konferenz für die Marshallplan-Erstellung – ich habe es erwähnt – hat es geheißen: Es gibt keinen Endzeitpunkt, an dem sich Österreich selbst erhalten könnte. Das war in einer offiziellen Statistik enthalten. Österreich wurde dann unabhängig und ist heute ein Land, das über den Nettobeitrag diskutiert, also darüber, ob wir zuviel oder zuwenig zahlen. Ich glaube, das kann uns doch optimistisch stimmen.


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