Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 114

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Liberalen diejenigen sind, die für den Ethikunterricht stehen – von einer Partei kommt, der einst eine klare Trennung von Kirche und Staat ein ganz wesentliches Anliegen war. Verschiedene Grundsätze werden ja in der Freiheitlichen Partei nicht immer ernst genommen und sind manchmal auch der persönlichen Beliebigkeit des Abgeordneten Stadler überlassen, aber das ist Ihre Sache und liegt in Ihrer Entscheidung.

Aber eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Abgeordneter Stadler: Auch ich kritisiere Aussagen der Lehrer- und Lehrerinnengewerkschaft, aber das, was Sie in der besagten APA-Aussendung gemacht haben, nämlich daß sie pauschal allen Lehrern und Lehrerinnen in Österreich unterstellt haben, sie wären Moralkommissare, systemtreue Sittenwächter, und sie so der Manipulation bezichtigten, halte ich wirklich für bedenklich, zumal – und das haben Sie vergessen – im Rahmen des derzeitigen Schulversuches insbesondere Religionslehrer und Religionslehrerinnen diesen Freigegenstand betreuen. Aber auch das ist Ihre Sache, und Sie werden das den österreichischen Lehrerinnen und Lehrern schon erklären müssen.

Bemerkenswert ist, Herr Abgeordneter Stadler, aber der Umstand, daß Ihre Kritik in Richtung Klubobmann Khol den Herrn Klubobmann sehr rasch zu einem meiner Meinung nach recht kuriosen Rückzug bewogen hat. Diese Ihre Richtigstellung, Herr Abgeordneter Khol, die Sie jetzt via Medien in die Öffentlichkeit zu bringen versucht haben, hat eher verwirrt als erklärt. (Abg. Dr. Khol: Sie sind aber leicht zu verwirren!)

Na ja, Sie sagten in Ihrer APA-Meldung um 10.21 Uhr, soundsoviel Prozent der Schüler würden sich abmelden. Auch jenen Schülern, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben, sollten Grundwerte vermittelt werden, haben Sie betont.

Dann sagten Sie in der Interpretation, Herr Stadler hätte Ihre Aussage bewußt verdreht. Gemeint wären nur Konfessionslose, weil für Angehörige einer Konfession jedenfalls der Religionsunterricht als Pflichtgegenstand bestehen bliebe. (Abg. Dr. Khol: Ja!)

Das müssen Sie wirklich erklären, denn was passiert denn dann mit jenen Schülern und Schülerinnen, die sich vom Religionsunterricht abmelden, und das ist derzeit immerhin jeder oder jede Zweite? (Abg. Dr. Maitz: Nein, nein! – Abg. Dr. Khol: Das muß bei Ihnen so sein! – Abg. Schwarzenberger: Nur Liberale!) Die Tendenz ist steigend. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Regen Sie sich nicht so auf! Der Vorstoß kam doch von Ihrem eigenen Klubobmann! Diese Angriffe sind jetzt wirklich nicht angebracht! (Abg. Mag. Stadler: Von der Ministerin!)  – Nein, Herr Klubobmann Khol hat sich schon am 2. Juli diesbezüglich geäußert, und Frau Ministerin Gehrer hat in ÖVP-Treue nachgezogen, Herr Abgeordneter.

Das werden Sie schon noch erklären müssen, welches Unterrichtsmodell Sie entwickeln wollen: einen Wahlpflichtgegenstand oder einen Pflichtgegenstand für Konfessionslose? Herr Kollege Khol! Ich glaube, daß Sie sich da selbst widersprochen haben.

Tatsache ist aber, daß der Religionsunterricht an Attraktivität verliert und daß die Zahl der sich abmeldenden Schülerinnen und Schüler ganz stark im Steigen begriffen ist. Ich halte es für schlimm, daß in einer Zeit einer sehr großen gesellschaftlichen Dynamik, in der es unterschiedlichste Lebensentwürfe beziehungsweise Lebensziele gibt, einer sehr großen Zahl von Schülern und Schülerinnen eigentlich keinerlei Hilfestellung in einer ethischen Werteorientierung ermöglicht wird.

Es gibt in dieser Frage in Österreich schon lange eine Pattstellung: Es gibt auf der einen Seite tatsächlich den krampfhaften Versuch, die Privilegien der Kirche – das sage ich mit Nachdruck –, vor allem der katholischen Kirche, als alleinige Vermittlerin für Wertefragen sicherzustellen, und auf der anderen Seite ignorieren Sie standhaft jene Situation, daß viele Schüler und Schülerinnen den Religionsunterricht schon gar nicht mehr besuchen.

Herr Klubobmann Khol! Es nützt Ihnen gar nichts, wenn Sie einerseits in Sonntagsreden den Werteverfall der Jugend kritisieren (Abg. Dr. Khol: Auch am Werktag! Sonntagsreden halten vielleicht Sie, ich nicht!) und diese Sonntagsreden auch noch in einem Buch zusammenfassen,


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