Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 134. Sitzung / Seite 100

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Tatsache, daß Großeltern einen österreichischen Reisepaß haben, aber irgendwo anders leben, bewegt Österreich nicht dazu, ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Ganz im Gegenteil: Selbstverständlich dürfen sie sie behalten! Ob sie ein Wort Deutsch können, prüft selbstverständlich – sinnvollerweise, sage ich – niemand nach. Ob sie wissen, wieviel Quadratkilometer der Attersee hat, was eine Frage bei Staatsbürgerschaftsverleihungen in Oberösterreich ist, prüft selbstverständlich niemand nach, denn sie sind ja von Geburt an Österreicher.

Genau dieses Recht, wenn Sie es so wollen, diese Gleichbehandlung wäre doch auch für Menschen, die tatsächlich in Österreich leben, vorstellbar. Aber was macht man in Österreich? – In Österreich operiert man in dem neuen Gesetz mit unbestimmtem Gesetzesbegriff, der da lautet: "entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache". Was ist das eigentlich? – Entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache können sein: Orthographie fehlerfrei, richtiges Deutsch in Wort und Schrift sozusagen. Ich würde von mir nicht behaupten, daß ich das absolut fehlerfrei kann. Wirklich nicht! (Abg. Kiss: Du bist ja eine Kroatin!) Ich würde meinen, daß kaum jemand hier im Raum die deutsche Rechtschreibung komplett beherrscht, vor allem in Zeiten der Rechtschreibreform. Das kann man subsumieren unter "entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache". Aber es bleibt dem einzelnen Beamten in der Behörde überlassen, zu entscheiden, was "entsprechend" ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur, daß sich der Verdacht in mir immer mehr nährt, daß diese Unbestimmtheit dem Legalitätsprinzip der Verfassung nicht entspricht – das ist ja nur ein Aspekt –, kommt noch die Befürchtung dazu, daß der Willkür bei dieser Entscheidung Tür und Tor geöffnet wird. Das entspringt, Herr Bundesminister, keiner wilden Phantasie von mir, sondern den Erfahrungen, die im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren in den letzten Jahren gewonnen wurden. Was das Ausmaß der Integration der Fremden ist, von der man sich leiten lassen soll, ist ein ähnlich unbestimmter Terminus, der Bestandteil dieses Gesetzes ist.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Weil sich meine Zeit schon dem Ende zuneigt, obwohl ich glaube, daß ich noch ein paar Minuten Redezeit hätte, möchte ich jetzt zusammenfassen, was für mich die wesentlichsten Punkte einer Reform des Staatsbürgerschaftswesens wären:

Erstens: Der Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft soll insgesamt erleichtert und gleichzeitig bundeseinheitlich geregelt werden. Beides trifft in dieser Gesetzesänderung nicht zu! (Abg. Kiss: Wie würde der aussehen?)

Zweitens: Es wäre – und das halte ich für eine zentrale Forderung! – der Rechtsanspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft bei Wohlverhalten nach 10 Jahren – bisher nach 30 Jahren – zuzuerkennen. Es bleibt jedoch beim alten Gesetz! (Abg. Kiss: Der Rechtsanspruch?)

Drittens: ZuwanderInnen soll in der zweiten und in der dritten Generation entweder die Optionsmöglichkeit bei Volljährigkeit gegeben werden – darüber gibt es in Deutschland eine große Diskussion – oder einfach bei Volljährigkeit der Rechtsanspruch auf die Doppelstaatsbürgerschaft, wie das beispielsweise in Frankreich der Fall ist.

Viertens: Es soll die Möglichkeit der Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft geschaffen werden, was heißt, daß es möglich sein soll, eine Doppelstaatsbürgerschaft zu erwerben. Weiters soll die Regelung über die Fristen auf ein europäisches Niveau gehoben werden, was bedeutet, daß sie gesenkt werden sollen.

All diese Punkte, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind nicht erfüllt worden. Nicht einmal jene Ankündigung wurde realisiert – und diese habe ich sehr ernst genommen –, die von Herrn Professor Dr. Khol, Klubobmann der ÖVP, in einem Hearing mit Experten, das der grüne Klub hier im Parlament veranstaltet hat, gemacht wurde, in welcher er sehr sensibel auf folgende Frage reagiert hat: Ja können wir nicht wenigstens alten Menschen, über 60jährigen – es gibt ja auch 70jährige und noch ältere Menschen, die die Staatsbürgerschaft in Österreich anstreben beziehungsweise bekommen wollen; in der Regel sind das Flüchtlinge, weil es keine Zuwanderer nach Österreich gibt, die 70 Jahre alt sind –, die Last der Sprachtests und der Prüfungen ersparen?


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite