Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / 100

Und Sie waren überheblich. Sie haben die Erfahrung der Kumpel, der Bergleute, abgeschlagen, angefangen vom Betriebsratsvorsitzenden, der bereits seit Jahrzehnten im Bergbau beschäftigt ist, der jeden Winkel, jeden Stollen kennt. Man hat den Kumpeln, die erst vor wenigen Wochen in Frühpension gegangen sind, die jahrzehntelang unter Tag gearbeitet haben, gesagt: Eure Erfahrungen brauchen wir nicht, wir machen sie selbst. – Das sind Fakten, über die man nicht hinwegkommt.

Es gab keine professionelle Pressearbeit, keinen professionellen Umgang mit den Hinterbliebenen. In der Öffentlichkeit wurde von Herrn Dipl.-Ing. Maier, den Sie nach kurzer Zeit hingeschickt haben, festgestellt, daß alle tot sind. Dazu darf ich dem Herrn Diplomingenieur in Erinnerung rufen – er ist bei zahlreichen Bergwerken Ehrenkumpel, weil er bei jeder Gelegenheit das Ehrenkleid der Bergleute trägt –: Er müßte auch wissen, daß der oberste Grundsatz der Bergleute auf der ganzen Welt folgender ist: Ein Kumpel ist erst dann tot, wenn er vor uns liegt.

Der Solidarität der Bergleute – und man könnte im Berg nicht existieren, wenn es diese Solidarität nicht gäbe – entspricht es eben, alles zu unternehmen, um verschüttete Kumpel zu retten. In diesem Zusammenhang hat meiner Meinung nach das psychologische Gespür der Einsatzleitung in der Öffentlichkeit gefehlt. Erkundigen Sie sich, wie er davor im privaten Gespräch mit den betroffenen Hinterbliebenen gesprochen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen daraus für die Zukunft eine Lehre ziehen, und da decke ich mich in einigen Punkten mit Ihnen, geschätzter Herr Minister! Ich teile Ihre Auffassung, daß ein sehr professionelles Krisenmanagement notwendig ist. Ich teile auch Ihre Auffassung, daß ein Überdenken der Bergbaubehörde notwendig ist. Die Bergbaubehörde braucht eine neue Struktur, modernes Management und ist – damit schaffe ich mir sicher keine Freunde – endlich einmal von ihren monarchistischen Zügen, die sie heute noch hat, zu befreien. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gebe auch zu bedenken beziehungsweise zu überlegen, ob alles in der Hand einer Behörde sein muß. (Zwischenruf des Abg. Jung.) Ich denke dabei vor allem an den Arbeitnehmerschutz. Dazu möchte ich sagen: Es stimmt, was Kollege Öllinger gesagt hat, nur ist es noch immer nicht offiziell, weil die Angst der dort Betroffenen groß ist, nicht nur den Arbeitsplatz, sondern das ganze Unternehmen durch Rio Tinto mit einem Schlag zu verlieren. Das werden wir wahrscheinlich nicht verhindern können, wenn der große Konzern zusperrt. Wir wissen aber mittlerweile, daß das Bergwerk nur deshalb den Ruf hatte, eines der sichersten Bergwerke mit den wenigsten Unfällen zu sein, weil tatsächlich sehr viele, die unter Tag Unfälle erlitten haben, genötigt wurden, ober Tag zu arbeiten beziehungsweise Urlaub zu nehmen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung.)

Ich möchte auch klar und deutlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen, daß man Ablenkungsmanöver versucht hat. (Abg. Jung: Ja, sicher!) Die Betroffenen, die in der Sendung "Zur Sache" diskutiert haben, waren selbst zu feig dazu. Sie haben es den Moderator machen lassen, der versucht hat, die Gewerkschaft und den Betriebsrat schuldig werden zu lassen, weil sie angeblich Magnetkarten, Piepserl und ähnliches verhindert hätten.

Ich darf dazu ganz offiziell erklären: Es wurde in keinem einzigen Bergwerk in Österreich ein derartiger Vorschlag gemacht, weil es nach letzten Informationen und nach dem Stand der Technik diese angeblich noch gar nicht gibt. Wir haben in dem betroffenen Bergwerk keine Magnetkarten, keine Piepserl und nichts verhindert. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft haben sich lediglich gegen Piepserl und Pager ober Tage, in der Freizeit ausgesprochen. Das wird es nicht geben. Was die Ruferreichbarkeit betrifft, so gibt es eine klare und eindeutige Regelung im Kollektivvertrag. Aber Sicherungs- und Arbeitnehmerschutzmaßnahmen für unter Tag sind und werden von uns auch nicht verhindert. – Im Gegenteil: Sobald es sie nach dem Stand der Technik gibt, sollen sie in Österreichs Bergwerken eingeführt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei dieser Gelegenheit auch eine Bemerkung zu Herrn Abgeordneten Barmüller – er ist jetzt leider nicht anwesend –: Herr Abgeordneter Barmüller weiß alles, kann alles, weiß alles besser.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite