Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 87

Was wirklich stattgefunden hat, das wissen Sie ganz genau! – Stattgefunden hat eine Präsidiale, in der Sie versucht haben, Ihren Terminkalender so umzusetzen, wie Sie ihn am Ende der Session der Zeitung mitgeteilt haben, und zwar auch mit Unterstützung des sozialdemokratischen Koalitionspartners, der sich auch eine andere Gangart hätte vorstellen können. Es ist wahr, daß das Herr Klubobmann Kostelka kurzfristig für möglich gehalten hat. Aber Sie haben schon vor dem Sommer den Terminkalender fixiert, und dann haben Sie am Tag vor der Sitzung des Verfassungsausschusses von Ihrem Referenten unseren Referenten anrufen lassen, und diese haben gesagt: Setzen wir uns zusammen, schauen wir, was wir zusammenbringen! Unsere Referenten, gewöhnt, auch mit anderen Parteien konstruktiv zusammenzuarbeiten, haben sich zusammengesetzt.

Das bezeichnen Sie jetzt als Parteiengespräche?! (Abg. Dr. Khol: Was ist das sonst?) Das ist eine Zumutung ersten Ranges! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.) Diese Gespräche haben nicht unter Parlamentariern, nicht auf jener Ebene, die wir gewöhnt sind, stattgefunden, sondern aufgrund der Fairneß und des üblichen Arbeitsstils unserer Referenten, die gesagt haben: Reden wir einmal darüber! Das war nichts anderes, und Sie wissen das! Wenn Sie es hier anders darstellen, dann sprechen Sie die Unwahrheit oder Sie argumentieren unredlich, und das sollten Sie gerade dann nicht tun, wenn es um ein Demokratiepaket geht! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Es kommt ja noch etwas dazu: Initiativanträge sind etwas ganz Wesentliches für das Parlament, weil sie die unmittelbaren Instrumente der Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind. Aber etwas anderes ist auch ein wesentlicher Punkt, und zwar die Durchführung von Begutachtungsverfahren.

Ich glaube, daß Begutachtungsverfahren – und Sie umgehen sie ja öfter, und zwar immer nur aus Eigeninteresse und niemals aus Sachzwängen heraus oder kaum, um das Wort "niemals" nicht beweisen zu müssen – den Sinn und Zweck haben, nicht nur eine öffentliche Debatte durchzuführen, sondern auch das Wissen zu bündeln, weil mehr Menschen im Regelfall die Chance bieten, daß mehr Wissen zusammenkommt. Sie haben sich ganz bewußt um diese Diskussion gedrückt, Sie haben ganz bewußt andere nicht mit eingebunden, und Sie haben, wie gesagt, auch die Fraktionen des Hauses nicht mit eingebunden. Und daher ist unser Einwand keine Polemik, kein Scheingefecht oder keine Scheinaufregung. Sie haben vielmehr ausgerechnet mit dem von Ihnen genannten Demokratiepaket einen Sprung in der Qualität nach unten gemacht, und das am Beginn einer Session. Das läßt Übles erwarten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt möchte ich auf die einzelnen Bereiche ein bißchen eingehen. Ein Bereich betrifft das Bundespräsidentenwahlgesetz, und dazu möchte ich nur ganz kurz sagen, was ich für viel wesentlicher gehalten hätte: Wir haben jetzt sechs Jahre Zeit, wir stehen am Beginn der Amtsperiode, ich frage Sie daher: Wo ist die Notwendigkeit, in der ersten Sitzung sofort die Wahlordnung zu ändern? Wir haben darüber nicht einmal diskutiert! Viel wichtiger wäre es gewesen, das in einer Gesamthaftigkeit zu sehen, über die Kompetenzen des Bundespräsidenten und über das Verhältnis des Bundespräsidenten zum Parlament zu reden. Das scheint mir etwas ganz Wesentliches zu sein.

Ich mußte mir bei der Angelobung eines Bundespräsidenten nahezu eine Regierungserklärung anhören – wie von einem ÖVP-Politiker – und durfte dazu nichts sagen. Wir waren uns, und zwar alle Fraktionen, in der Präsidiale einig, daß dieses Procedere überdacht werden muß. Nur: Wenn es überdacht wird, dann hat das natürlich Auswirkungen auf das Spannungsverhältnis Bundespräsident hier und Parlament da. Daraus ergeben sich eine Reihe von Folgerungen. Aber diese muß man überlegen.

Es stört mich schon die längste Zeit, daß der Bundespräsident zu den Sessionen des Nationalrates einlädt. Ich frage mich: Was ist das für ein Selbstverständnis eines Parlaments, daß wir nicht selber unsere Session eröffnen? Wozu brauchen wir denn die Eröffnung durch den Bundespräsidenten? (Abg. Großruck: Weil er das Staatsoberhaupt ist!) Auch das halte ich für einen wesentlichen Punkt! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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