Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 99

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Kollege Wabl, Kollege Stadler, wenn eine Dame am Wort ist, dann werden wir ihr jetzt alle zuhören.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend): Auf dieser Grundlage des allgemeinen, gleichen, persönlichen und geheimen Wahlrechtes gestalten Wahlordnungen die administrativen und praktischen Abläufe von Wahlen. Wie in der von Univ.-Prof. Manfred Nowak und Professor Dr. Karl Korinek begutachteten Dissertation "Menschenrechte von Behinderten – Zur Stellung des behinderten Menschen im österreichischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte" von Dr. Philipp Wahl ausgeführt ist, wurde im bisher geltenden Wahlrecht den Grundrechten behinderter Menschen nur unzureichend Rechnung getragen.

Wörtlich heißt es: Die in der Verfassung niedergelegten Grundsätze des österreichischen Wahlrechtes sind durchaus nicht widerspruchsfrei, was am Beispiel des behinderten Menschen besonders deutlich wird. So geraten der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts mit den Grundsätzen des persönlichen und geheimen Wahlrechts in einen Gegensatz, wenn eine körperlich schwer behinderte Person physisch nicht in der Lage ist, ihre Stimme ohne die Hilfe Dritter abzugeben.

Und weiter: In Durchführung des demokratischen Prinzips der Bundesverfassung muß daher der Gesetzgeber die einzelnen kollidierenden Wahlrechtsgrundsätze gegeneinander abwägen, bewerten und harmonisieren. – Zitatende.

Im Juli des vergangenen Jahres hat der Nationalrat sein Verständnis des Gleichheitsgrundsatzes in Artikel 7 der Bundesverfassung im Hinblick auf behinderte Menschen präzisiert: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik, Bund, Länder und Gemeinden, bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

Bestand also nach Ansicht von Dr. Philipp Wahl bereits vor Inkrafttreten dieser Präzisierung Handlungsbedarf, so ist er nun umso größer.

Der Bundeskanzler hat vor diesem Hintergrund eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Aufgabe die Überprüfung der Rechtsordnung auf diskriminierende Vorschriften ist. An dieser Arbeitsgruppe nehmen neben den Ministerien auch betroffene Experten, vor allem aus der Initiative "Selbstbestimmt leben", sowie die Behindertensprecher der Parteien der Parlamentsklubs teil.

Das Protokoll der 5. Sitzung der Unterarbeitsgruppe Rechtsschutz bestätigt hinsichtlich des Wahlrechtes die Kritik Dr. Wahls. Und eigentlich – Frau Kollegin Haidlmayr ist jetzt nicht da – hätte ich erwartet, daß Frau Kollegin Haidlmayr, die ja Mitglied der Gruppe "Selbstbestimmt leben" ist, das Demokratiepaket zum Anlaß nehmen würde, gleich die entsprechenden Änderungen in Form von diesbezüglichen Anträgen einzubringen. Da das nicht geschehen ist, haben wir – nach einer angemessenen Wartefrist auf die Anträge der Frau Haidlmayr – seitens der ÖVP das Demokratiepaket zum Anlaß genommen, korrigierend einzugreifen. (Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Es geht dabei um folgende drei Punkte: die Wahlfreiheit von Anstaltspfleglingen, die Hilfestellung für blinde und sehbehinderte Menschen und die Barrierefreiheit der Wahllokale. Daß in diesem Zusammenhang das Volksbegehrengesetz nicht abgeändert werden sollte, war bitte keine Absicht, sondern ein Übersehen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß wir seitens unserer Fraktion einen entsprechenden gemeinsamen Antrag formulieren beziehungsweise einem solchen beitreten, wenn wir dazu eingeladen werden, oder ihm zustimmen. (Abg. Wabl: Das klingt schon wunderschön! Das klingt schon fast nach Demokratie!) Selbstverständlich ist es uns auch beim Volksbegehren ein Anliegen, daß die Lokale barrierefrei erreichbar sind.

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf diese drei Punkte eingehen. Nach geltender Rechtslage besteht derzeit die Möglichkeit, daß Pfleglingen in Anstalten die Ausübung des Wahlrechts aus gewichtigen medizinischen Gründen durch einen Arzt untersagt werden kann. Dieser Passus wird nunmehr ersatzlos gestrichen, und durch die ersatzlose Streichung von § 72 Abs. 4 Na


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