Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 101

men, um den Spielraum zu erhalten, der in einer Abschwungphase den Erhalt des Stabilitätskriteriums von 3,0 Prozent des BIP absichert.

Übereinstimmend kommen die OECD und das Europäische Währungsinstitut (EWI) aber auch die Oesterreichische Nationalbank zu dem Schluß, daß auf längere Sicht eine nachhaltige Konsolidierung erreicht werden muß, um das strukturelle Defizit zu senken und die Stabilitätskriterien dauerhaft zu erfüllen. Zahlreiche Maßnahmen, die zu den bisherigen Erfolgen bei der Konsolidierung beigetragen haben, waren sogenannte Einmalmaßnahmen, deren Auslaufen bereits beschlossen ist, wie etwa die Sistierung von Freibetragsbescheiden, deren Ersatz durch nachhaltige Maßnahmen aber nicht erfolgt.

Gleichzeitig weist Österreich mit 45,7 Prozent des BIP eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in der EU auf. Das Europäische Währungsinstitut stellt in seinem Konvergenzbericht dazu fest, daß diese bereits jetzt ein Niveau erreicht hat, das dem Wirtschaftswachstum schadet.

Der einzige Weg zur Einleitung einer Trendwende bei der Abgabenquote führt über nachhaltige Strukturreformen bei gleichzeitiger Senkung der Steuern und Abgaben.

Die Notwendigkeit einer Tarifreform als Kernstück einer umfassenden Steuerreform ist evident: Seit 1990 stiegen allein die Einnahmen aus der Lohnsteuer von 105,5 Milliarden Schilling auf 198 Milliarden Schilling, das ist eine Steigerung von 8 Prozent nominell, während die Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum nominell um 38 Prozent wuchs. Das massive Anwachsen der Steuerleistungen aus der Lohnsteuer stellt gleichzeitig einen substantiellen Kaufkraftverlust dar, der sich nachteilig auf die Inlandsnachfrage und damit auf einen wichtigen Pfeiler des Wirtschaftswachstums auswirkt.

Die Regierung hat einerseits mit den Sparpaketen I und II sowie mit der Untätigkeit im Bereich der Anpassung der Auswirkungen der kalten Progression Belastungen für alle Bevölkerungsgruppen realisiert, um den Konsolidierungsbedarf kassamäßig darstellen zu können. Sie ist aber Konzepte schuldig geblieben, die andererseits den Druck auf die Konsolidierung ausgabenseitig vermindern.

Die Geschichte der Mißerfolge im Bereich der Einsparungen und des Rückbaus des Staates ist lang. Ein systematisches Hinterfragen, welche Aufgaben grundsätzlich vom Staat zu erfüllen sind bzw. welche Aufgaben unter den Überlegungen der Sparsamkeit, der Effizienz und der Produktivität von Privaten erfüllt werden können, ist unterblieben. Selbst die zeitweise Existenz eines eigenen Ministeriums hat daran nichts geändert. Trotz der Ankündigungen der Regierung, die Kosten für die Verwaltung des Staates jedenfalls nicht weiter steigen zu lassen, betragen die Ausgaben allein für die Personalkosten des Bundes mittlerweile rund 230 Milliarden Schilling, das ist bereits ein Drittel aller Ausgaben des Bundes. Eine Trendwende ist entgegen der politischen Aussagen der Regierungsparteien nicht in Sicht – vielmehr sind im Jahr 1997 die Personalausgaben wiederum gestiegen.

Es geht aber nicht nur um die nachhaltige Senkung des Gesamtaufwandes für die öffentlich Bediensteten, sondern auch um einen grundsätzlich anderen Zugang zur öffentlichen Verwaltung, mit anderen Worten um eine völlige Neuausrichtung der staatlichen Aufgabenerfüllung. Ein immer größer werdender Verwaltungsapparat will beschäftigt werden: Nach einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts beträgt alleine das Transfervolumen zwischen den Gebietskörperschaften bereits an die 300 Milliarden Schilling. Eine Neuorganisation dieser Finanzierungsströme könnte nicht nur substantielle Einsparvolumina beim Verwaltungsaufwand bringen, sondern auch die (Kosten-) Transparenz beträchtlich erhöhen.

Auch der kosten- und personalintensive Aufbau und Erhalt von Parallelstrukturen bei den Sozialversicherungsträgern und den Finanzverwaltungsbehörden erzeugt Reibungsverluste. Aufgrund der chaotischen Bestimmungen – als Ergebnis einer übereilten und in den Auswirkungen nicht bedachten Anlaßgesetzgebung – im Bereich der Werkvertragsregelung müssen sich diese Behörden gegenseitig in aufwendigen Datenabgleichverfahren informieren. Unter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung und der Senkung der Staatsausgaben muß überlegt werden, solche Aufgaben und Funktionen oder zumindest Teile davon in einer Hand zu vereinen. Ein


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