Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 105

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Schmidt als erster Fragestellerin das Wort. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Redezeit maximal 20 Minuten beträgt. – Bitte.

15.02

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Liberalen haben eine dringliche Anfrage betreffend die überfällige Trendwende bei der Abgabenquote eingebracht, und es mag sein, daß der oder die eine oder andere meint, das sei nicht so dringlich, weil ein Uraltanliegen. Es ist uns dringlich, und zwar deshalb, weil wir wissen, daß ohne eine Ausgabenreform, ohne einen Rückbau des Staates auch keine Steuerreform möglich ist, die eine Steuersenkung bringt. Diese Steuerreform ist ein Punkt, der uns zwar versprochen wurde, aber wo wir das Gefühl haben, daß das Schieben auf einen anderen Zeitpunkt bereits beginnt.

Und weil jetzt gerade Herr Kollege Van der Bellen in den Saal gekommen ist: Mich hat seine Ausführung sehr irritiert, da sie in diesem Zusammenhang für mich überraschend war. Er sagte nämlich "lieber später", wobei ich ihm beim zweiten Teil des Satzes "und dafür ordentlich" schon recht gebe, "als jetzt gleich". Mich hat das deswegen ein bißchen unangenehm berührt, weil, wenn dieses Hinausschieben-Wollen seitens der Regierung jetzt auch noch Unterstützung von einer Oppositionspartei bekommt, die Gefahr besteht, daß der Finanzminister, vielleicht auch sein Staatssekretär, uns über einen Zeitraum hinwegtrösten wollen, vielleicht mit der Argumentation, man könne doch vor Wahlen keine Steuerreform machen. Das hielten wir für einen tiefgreifenden Fehler. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Im übrigen: Die Logik, daß die Steuerreform, wenn sie später erfolgt, auch besser ist, haben wir doch leider durch unsere Erfahrungen hier im Hohen Haus eindeutig widerlegt. Daher ist das für mich keine zwingende Schlußfolgerung.

Sie haben in dieser Dringlichen Anfrage nachlesen können, sollten Sie das schon getan haben, worum es uns im Kern geht. Wir haben in Österreich mit 45,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Steuer- und Abgabenquote nicht nur eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten in der Europäischen Union, sondern wir haben auch für Österreich die historisch höchste. Und wenn man liest, daß das Europäische Währungsinstitut in seinem Konvergenzbericht dazu feststellt, daß diese Abgabenquote bereits ein Niveau erreicht hat, das dem Wirtschaftswachstum schadet, so ist das ein Alarmsignal.

Ich möchte nun nicht – gerade als Liberale – unterstellt bekommen, daß uns das Wirtschaftswachstum sozusagen als Selbstzweck ein Anliegen ist. Das ist es nicht. Dieses ist kein Selbstzweck, und ich möchte in diesem Zusammenhang jene drei Ziele nennen, die uns gleich wichtig sind, und wo niemals eines auf Kosten des anderen gehen darf, und wo ich auch keinen Prioritätenkatalog in der Form zulassen würde, daß eines nach dem anderen passiert, sondern die Bemühungen haben gleichzeitig zu erfolgen. Diese drei Ziele heißen: die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sicherzustellen, und dazu gehört eben das Wirtschaftswachstum, den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft zu sichern und die BürgerInnenrechte zu sichern.

Diese drei Ziele – und das ist, und darauf bin ich stolz, das Alleinstellungsmerkmal der Liberalen – können nur dann erreicht werden, wenn wir zum Beispiel eine Trendwende in der Abgabenquote erreichen, und weil wir so weit entfernt sind von dieser Zielerreichung, haben wir diese Dringliche Anfrage gestellt, um das endlich zu einem Thema in diesem Hohen Haus zu machen.

Diese Trendwende kann aber nur herbeigeführt werden, wenn endlich der Begriff der Ausgabenreform, das heißt der Ausgabenersparnis, ernst genommen wird und nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, und diese Ausgabenersparnis ist nur möglich, wenn man den Rückbau des Staates nicht nur als Überschrift sieht, sondern sich inhaltlich damit auseinandersetzt und ihn tatsächlich betreibt.

Für die Liberalen hat das mehrere Effekte. Auf der einen Seite ist das eine budgetwirksame Überlegung und eine budgetwirksame Vorgangsweise, aber dieser Rückbau des Staates befreit


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